Ein aktuelles Bild, das drei Staatschefs im Gespräch zeigt, ist für mich ein Symbol der Hoffnung. Es steht für Respekt und Gleichberechtigung – dafür, dass trotz ideologischer und kultureller Unterschiede Partnerschaft möglich ist, ohne Dominanzansprüche, ohne Überlegenheitsdenken. Kein Gegeneinander, sondern ein Füreinander.

In diesem Bild liegt die kleine, aber bedeutsame Chance auf Gerechtigkeit.

Denn die westliche Welt war über Jahrhunderte hinweg geprägt von Kolonisation, von Herrschaftsansprüchen, von Hegemonie. Unser Wohlstand, unsere sogenannte Weltherrschaft, konnte nur verteidigt und gesichert werden durch Kriege, durch völkerrechtswidrige Interventionen, durch das Überstülpen „unserer Werte“ – egal, ob sie zu den betroffenen Kulturen passten oder nicht. Demokratie und Freiheit wurden beschworen, aber in Wirklichkeit ging es um Macht, um Ressourcen, um geostrategische Kontrolle.

Das ist kein Ansatz von Gleichberechtigung. Das ist ein Ausdruck von Überlegenheitsdenken – die Vorstellung, man könne anderen Völkern vorschreiben, wie sie zu leben, zu denken, zu handeln hätten. Wir im Westen glauben noch immer, wir könnten dem Rest der Welt diktieren, was richtig und falsch ist. Dabei haben wir selbst unzählige Male internationales Recht gebrochen, im Namen der „westlichen Werte“ illegale Kriege geführt und am Ende fast immer große Misserfolge hinterlassen.

So ist eine unberechenbare Gesellschaft entstanden, die nach Gutdünken handelt, die Sicherheitsinteressen anderer ignoriert und die sich fast ausschließlich an den eigenen Interessen orientiert. Für die am Ende nur eines zählt: der Dollar und die Profite derer, die mit ihm verbunden sind. Unsere Politik ist längst nicht mehr auf das Wohl der Bevölkerung ausgerichtet, sondern auf die Interessen einiger Weniger – Superreiche, Wirtschafts- und Finanzeliten, die von diesem System profitieren. Das Volk aber bleibt zurück.

Immer mehr Länder – insbesondere die BRICS-Staaten – haben das erkannt. Sie haben verstanden, dass auf den Westen kein Verlass ist. Dass es uns nicht um Partnerschaft geht, sondern um Dominanz, Kontrolle und Unberechenbarkeit. Denn sie sehen, dass wir Sanktionen verhängen, Verträge nicht einhalten, willkürliche Maßnahmen ergreifen – und dass man sich auf uns nicht mehr verlassen kann. Deshalb wenden sich diese Länder von uns ab.

Dieses Bild dagegen steht für etwas anderes: für Gleichberechtigung, Respekt und die Möglichkeit einer neuen Ordnung. Für ein Miteinander, in dem nicht Unterdrückung und Hegemonie im Vordergrund stehen, sondern Kooperation und gegenseitige Anerkennung.

Es ist höchste Zeit, dass auch wir im Westen unsere Überlegenheitsansprüche ablegen. Nur wenn wir lernen, uns an den Interessen der Mehrheit der Weltbevölkerung zu orientieren und auf Augenhöhe zu handeln, können wir zu einer wirklich gerechten und stabilen Ordnung zurückfinden.

Unsere sogenannte Demokratie hat im Westen den höchsten Stellenwert erreicht. Aber darf man sie nicht auch einmal infrage stellen? Wir Wähler haben zwar die Möglichkeit, Politiker zu wählen und ihnen eine Mehrheit zu verschaffen. Doch wer bestimmt letztlich die Richtung der Politik? Nicht die Bürger – sondern die Lobbyisten. Politiker richten ihre Entscheidungen nach wirtschaftlichen Interessen aus, nicht nach dem Wohl des Volkes.

In den USA ist das am deutlichsten sichtbar: Dort ist die Demokratie nicht verschwunden, aber sie ist systematisch durch den Einfluss von Geld und Wirtschaft verzerrt. Kurzfristige Effekte, mediale Inszenierungen, persönliche Lorbeeren sind wichtiger als langfristige Strategien für das Gemeinwohl. Man könnte es eine Demokratie nennen, die in der Form existiert, in der Substanz aber von Kapitalinteressen beherrscht wird.

Und was ist mit den sogenannten autokratischen Ländern? Auch sie sind nicht mehr das, was man sich klischeehaft darunter vorstellt. Viele haben längst marktwirtschaftliche Elemente übernommen, sie haben sich dem Kapitalismus geöffnet. Aber: Sie entwickeln Strategien, die nicht an eine Legislaturperiode gebunden sind, sondern Jahrzehnte umfassen. Sie denken in Generationen, bauen langfristige Wirtschafts- und Sozialmodelle auf und beziehen dabei – zumindest in Teilen – die Interessen der Bevölkerung mit ein. Nicht aus reiner Menschenliebe, sondern weil Stabilität und Wohlstand die Grundlage ihrer eigenen Legitimität sind. Natürlich gibt es auch dort Machtinteressen und Kontrolle, doch der Unterschied ist: Es wird strategisch gedacht – und oft stärker mit Blick auf das Volk als im Westen.

Doch bei all dem stellt sich eine elementare Frage: Aus wessen Reichtum haben wir unseren Wohlstand überhaupt aufgebaut? War es nicht die Ausbeutung anderer Völker, ihrer Rohstoffe, ihrer Arbeitskraft, ihrer Ressourcen, die unseren Lebensstandard möglich gemacht hat? Wenn das so ist – und die Geschichte zeigt es deutlich –, dann müssen wir uns ehrlich fragen: Haben wir nicht auch eine Verpflichtung zur Entschädigung gegenüber all jenen, die wir jahrhundertelang ausgebeutet haben?

So bleibt die Frage: Ist unsere hochgelobte Demokratie wirklich so demokratisch, wie wir uns einreden? Und was hat sie jenen Ländern entgegenzusetzen, die wir vorschnell als „autokratisch“ abwerten, die aber in vielen Punkten strategischer, langfristiger und manchmal sogar volksnäher handeln als wir im Westen?
Es ist höchste Zeit, dass der Westen seine Überlegenheitsansprüche ablegt. Nur wenn wir lernen, die Interessen der Mehrheit der Weltbevölkerung ernst zu nehmen und auf Augenhöhe zu handeln, kann eine gerechte und stabile Weltordnung entstehen. Denn die Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten wünscht sich nicht Konfrontation, Sanktionen oder Machtkämpfe – sie wünscht sich Zusammenarbeit, Respekt und Frieden. Genau darin liegt unsere gemeinsame Zukunft.