Ein neues Buch von André Link: Auf Winters Schneide.

Das Wort war gefallen, und jetzt, nachdem er mit der Sprache herausgerückt war, kam es wie ein Sturzbach aus Mollards Mund: "Marie-Adélaïde ist für die französische Republik – und nicht nur für die – inakzeptabel. Einfach nicht mehr tragbar. Dafür hat sie zu viele unverzeihliche Fehler begangen. Sie muss gehen – nein, sagen Sie nichts. Sehen Sie, Herr Welter, eigentlich bin ich ganz froh, dass sich dieses Gespräch entre nous ergeben hat. Gestern, als Herr Reuter dabei war ..., nun, da musste man offiziell bleiben und konnte es nicht geradeheraus sagen. Ihnen aber kann ich in aller Vertraulichkeit sagen: Marie-Adélaïde ist für uns nicht mehr tragbar. Sie muss gehen."

André Link hat einen höchst aufschlussreichen Roman geschrieben, der eines der spannendsten Kapitel unserer Geschichte beleuchtet. Es geht um die politischen Wirren, die im Anschluss an den Ersten Weltkrieg schlieβlich zur Abdankung von Groβherzogin Marie-Adelheid zugunsten ihrer Schwester Charlotte führten. Diese wurde im Januar 1919 zur neuen Groβherzogin Luxemburgs gekrönt. Im Mittelpunkt der Handlung steht aber der politisch unabhängige, wenngleich von den Sozialisten in die Regierung entsandte Unterrichtsminister und Schriftsteller Nikolaus Welter. Dieser versucht sich seine geistige Unabhängigkeit zu bewahren, wird von den Sozialisten, die von ihm verlangen, dass er sich für die Abdankung Marie-Adelheids einsetze, jedoch schlussendlich zerrieben, so dass ihm als einziger Ausweg der Rückzug aus der "schmutzigen" Politik bleibt. Eine sehr interessante Figur, weil sie das Spannungsverhältnis von Politik und Geist verkörpert.

Demgegenüber wird Staatsminister Reuter als alter Hase, als pragmatischer, kluger, das Wohl des Landes über die Parteipolitik stellender Landesvater dargestellt. Der Fanatismus der linken Gruppierungen erscheint angesichts der ruhigen Vaterfigur Reuters umso virulenter.

Marie-Adelheid ist hin- und hergerissen zwischen ihrer aristokratischen Gesinnung und dem Wunsch, beim Volk beliebter zu sein. Sie ist offener als ihre Mutter, leidet sowohl unter deren despotischer Sturheit als auch unter den Ränkespielen der Politik. Sie vertraut einzig und allein ihrem Staatsminister Reuter, dem sie dann auch widerspruchslos gehorcht, als dieser sie bittet abzudanken. Marie-Adelheid wird auf dem Altar der Politik geopfert. Die Franzosen wollen ihren Kopf, weil sie sich während des Krieges angeblich deutschfreundlich verhalten habe. Dabei erinnert die Herrscherin daran, dass sie – als der Krieg seinen Höhepunkt erreichte – verwundete und kranke Soldaten (nicht zuletzt auch Franzosen) gepflegt und dabei auch die Ansteckungsgefahr in Kauf genommen hatte. 1924 stirbt sie voller Verzweiflung über ihr verunglücktes Leben, erst 29-jährig.

Ein höchst lehrreicher Roman über ein wichtiges Kapitel unserer Geschichte!

André Link
, 1949 in Ettelbrück geboren, ist Mitglied des Institut grand-ducal, Section des arts et lettres, sowie des LSV. Er gehört zu den produktivsten Autoren Luxemburgs und wurde mehrfach beim Concours littéraire national ausgezeichnet.

André Link: Auf Winters Schneide. Roman. Broschiert, 13 x 20 cm, 200 Seiten. Preis: 19 €. ISBN: 978-2-87963-783-9.