Woran erkennt man eine Gesellschaft, die den Kontakt zur Realität verloren hat? An Maßnahmen, die mehr signalisieren als bewirken. Nehmen wir das Handyverbot an Luxemburger Gymnasien. Wer Jugendlichen das Handy verbietet, ihnen aber gleichzeitig staatlich finanzierte iPads aushändigt, betreibt digitale Placebo-Politik. Das ist, als würde man das Rauchen verbieten – und den Jugendlichen im Gegenzug staatlich subventionierte E-Zigaretten mit Apfelgeschmack aushändigen. Die Sucht bleibt, nur das Branding ändert sich. Die Bildschirmzeit sinkt nicht, sie verlagert sich nur. Die Illusion der Kontrolle ersetzt echte Medienbildung, Disziplin und Verantwortung.

Diese Symptombekämpfung steht exemplarisch für eine Gesellschaft, die Befindlichkeit mit Realität verwechselt. Ob beim Handyverbot oder in der Rentendiskussion: Entscheidend ist nicht länger, was funktioniert, sondern wie es sich anfühlt. Das Gemeinwesen tritt zurück hinter eine Öffentlichkeit, in der jeder Einzelne sich selbst zur obersten Instanz erklärt. Narzisstische Kränkungen wiegen heute oft schwerer als systemische Probleme.

Statt nüchtern über Generationengerechtigkeit zu verhandeln, inszenieren sich Interessengruppen als Opfer der Zumutung, dass Wohlstand auch mit Eigenleistung verbunden ist. Dabei wäre die Lösung einfach – wenn man sie denn wollte: Eine leichte Annäherung an das effektive Renteneintrittsalter; moderate Beitragserhöhungen; gezielte Leistungskürzungen bei Gutverdienern, ergänzt durch private Vorsorge. Kein ideologischer Großumbau, sondern fein abgestimmtes Systemdesign. Doch wer nur in Extremen denkt oder in Befindlichkeiten, wird zur Reform nie fähig sein.

Was fehlt, ist der Gemeinsinn. Die Bereitschaft, sich selbst nicht als Zentrum der Welt zu betrachten, sondern als Teil eines Ganzen. Stattdessen dominieren Ansprüche, Empörung und Besitzstandswahrung. Wir leben nicht in einer mündigen, sondern in einer sedierten Gesellschaft. Bequemlichkeit wird zur Haltung, Emotionalisierung zur Strategie. Und wer mit klarem Blick argumentiert, gilt schnell als kalt. 
Doch Politik ist kein Safe Space. Sie ist Gestaltung unter Risiko – nicht Wellness unter Applaus.