Fir hir Graphic Novel „Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung" ass d'Barbara Yelin fir den däitsche Jugendliteraturpräis nominéiert.

Am Virfeld vun hirem Besuch zu Lëtzebuerg huet d'Barbara Yelin eis dësen Interview ginn:

Wer ist Emmie Arbel und wie sind Sie auf ihre Geschichte gestossen?

Emmie Arbel wurde 1937 in Den Haag als Kind einer jüdischen Familie geboren. 1942 wurde die Familie von den Nazis deportiert. Emmie hat 3 Konzentrationslager überlebt, nach der Befreiung war sie acht Jahre alt. Ihre Eltern und Großeltern sind im Holocaust von den Nazis ermordet worden.

Wir haben uns zum ersten Mal in der Gedenkstätte Ravensbrück getroffen, wo Emmie als Zeitzeugin sprach. Ich hatte einen kurzen Erinnerungsbericht gelesen, der mich sehr erschütterte, und zwei Kinderfotos von ihr gesehen. Wir mochten uns gleich. Wir hatten aber zusätzlich viel Zeit, uns kennenzulernen und vor allem viel Zeit, in der Emmie mir erzählen konnte, woran sie sich erinnerte.

 Die Begegnung war Teil eines größeren Projekts, das Überlebende des Holocausts in den Dialog mit internationalen Graphic Novelist*innen brachte. Die Begegnung war vom kanadischen Projekt „Survivor-Centred Visual Narratives“ (https://visualnarratives.org/ ) vorgeschlagen worden.

Die letzte Generation der Zeitzeug*innen des Holocaust wird nicht mehr allzu lang hier sein. Für uns alle ging es darum, dass die wichtigen Zeugnisse, die Erinnerungen von Emmie Arbel als Überlebende des Holocaust, in einer Form erzählt werden kann, die möglicherweise auch für Menschen lesbar und vermittelbar sind, die Emmie nicht persönlich werden treffen können. In welcher Form können Erinnerungen eines Kindes erzählt werden? Emmie sagt, ihre frühen Erinnerungen sind Bilder. Die Sichtbarmachung der Erinnerung durch Zeichnung war uns ein wichtiges Anliegen.

Emmie Arbel hat den Holocaust überlebt, sie hört die Bezeichnung «Holocaust-Überlebende» aber nicht gern?

Emmie möchte kein Mitleid und sie möchte nicht allein auf die Rolle als Traumatisierte oder Überlebende reduziert werden. Sie möchte einfach als ganzer Mensch gesehen werden. Sie sagt, „Ich bin nicht schwach. Ich weiß, dass ich stark bin.“

 Allerdings war für Emmie Arbel das Ende des Krieges nicht das Ende ihres Leidensweges. Sie wurde nach dem Tod ihrer Eltern und Grosseltern adoptiert, das Leben in ihrer Adoptivfamile wurde für sie aber zu einem neuen Trauma, später sollten noch weitere Schicksalsschläge folgen?

Ja, auch ihr weiteres Leben war von Gewalterfahrung, Missbrauch, Tod und Einsamkeit geprägt. Es war uns beiden wichtig, auch diesen Teil mitzuzählen – was bedeuten diese Kindheitserfahrungen für ein ganzes Leben? Gleichzeitig ging es eben auch darum, nicht nur diese Ausschnitte zu erzählen. Dass ihr Humor, ihre Resilienz und Eigenständigkeit starker Teil dieser Persönlichkeit sind, und dass ihr Zuhause und ihre Familie das Zentrum ihrer Gegenwart ist, ist ein wichtiger Teil dieses Porträts.

Und auch unsere Begegnung wollte ich darin sichtbar machen, um auch immer die Perspektive der Erzählung offen zu legen. „Erinnerung ist kein Monolog“, das ist ein wichtiges Zitat von Charlotte Schallié, unserer Projektleiterin, die uns enorm warmherzig und unterstützend begleitet hat.

Als Comic-Künstlerin haben Sie sich dazu entschieden, die Erinnerungen von Emmie Arbel in einer Graphic Novel zu verarbeiten. Was kann eine Graphic Novel, was ein rein textbasiertes Format nicht kann?

Erinnerung ist nichts Festes, sie ist etwas Fluides. Nicht immer sind Erinnerungen gleichermaßen abrufbar. Ich habe als Basis vor allem zugehört. Habe Fragen gestellt. Ich habe unsere Gespräche aufgenommen, und danach mit den Texten weitergearbeitet. Sehr bald kamen Bilder dazu und ich habe mit den Bild- und Textstücken wie mit einem Puzzle, einer Collage, gearbeitet, habe immer neue Möglichkeiten der Kombination gesucht. Dazu kam natürlich eine ganz vielschichtige historische Recherche, auch das waren Teile, die direkt eingeflossen sind. Wichtig war mir, auch die Leerstellen der Erinnerung sichtbar zu machen. Innerhalb der Panels und dazwischen, im Text und im Bild. Das ist eine große Chance der Möglichkeiten des Comics, diese Bruchstückhaftigkeit wirklich anschaubar, greifbar zu machen. Diese Form wollte ich wiedergeben. Ich glaube, dass das auch eine Chance des Comics ist, dass ich hiermit mehr erzählte, als die Worte allein es können. Manches ist mit Worten unsagbar, aber ein Bild kann anders erzählen, eine Zeichnung kann Spuren sichtbar machen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Comic und einer Graphic Novel?

Kurz: Eine Graphic Novel ist immer auch ein Comic. Da das Wort „Comic“ für ernstere Themen oder umfangreichere Bücher manchmal schwer vermittelbar ist, wurde ein passenderer Begriff gesucht.

«Die Farbe der Erinnerung» welche Farben haben Sie verwendet um diese Erinnerungen wiederzugeben?

Ich arbeite mit allen möglichen Techniken, die flüssig oder bearbeitbar sind. Wasserfarben, Aquarellstifte, Gouache, alles übereinander. Eine Zeichnung, ein Bild, ist immer auch ein Denkprozess, eine Erforschung von Ereignissen, Räumen und Gefühlen. Es gibt Farbräume in dem Buch, die verschiedene Zeiten von Emmies Leben beschreiben. So kann ich die ständige Zusammenkunft von Gegenwart und Erinnerung erfahrbar machen.

«Emmie Arbel – Die Farbe der Erinnerung» ist für den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie «Sachbuch» nominiert, (das Gewinnerbuch wird am 18ten Oktober auf der Frankfurter Buchmesse bekanntgegeben). Es ist aber sicher kein Buch das sich ausschliesslich an Kinder und Jugendliche richtet?

Nein, es ist ein Buch für Erwachsene und junge Erwachsene. Meine Altersempfehlung wäre: alle Menschen ab 15.

Hei kënnt Dir der Barbara Yelin begéinen: 

Montag 06.05.2024 um 19h00
Neimënster, 28, Rue Münster, Luxemburg-Grund
in deutscher Sprache, Eintritt frei
Anmeldung unter: info@ipw.lu   +352 49 04 43-1
Weitere Informationen auf der Internetseite www.ipw.lu

Schreiwes

Barbara Yelin - Ein Graphic Novel über die Holocaust-Überlebende Emmie Arbel
Bildervortrag, Lesung und Gespräch

Auf Einladung des Instituts Pierre Werner präsentiert die vielfach ausgezeichnete deutsche Comic-Künstlerin Barbara Yelin am Montag, 6. Mai, um 19:00 Uhr in neimënster ihr Graphic Novel „Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung“. Das Werk entstand aus intensiven Gesprächen und Begegnungen mit Emmie Arbel, die als Kind die Shoah überlebte. Das Ergebnis ist ein fesselndes Zeitdokument über die Allgegenwart von Geschichte, über Erinnern und Selbstermächtigung. „Emmie Arbel“ ist aktuell für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2024 (Kategorie Sachbuch) nominiert. Bei Actes Sud erschien es vor kurzem auf Französisch.
Die Moderation des Abends übernimmt Stefan Börnchen von der Uni Luxemburg. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten.

Geboren 1937 in Den Haag, wird Emmie Arbel mit ihrer jüdischen Familie 1942 von den Nazis deportiert. Sie überlebt als Kind die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. Als der Krieg vorbei ist, ist sie acht Jahre alt. Ihre Eltern und Großeltern sind im Holocaust ermordet worden. Mit ihren Brüdern wird Emmie von einer Pflegefamilie adoptiert und lebt in den Niederlanden. Doch die Rettung stellt sich dort gleichzeitig als neuer Leidensweg für das traumatisierte Kind heraus. 1949 wandert die Familie nach Israel aus. Im Kibbuz fühlt Emmie sich isoliert und nirgends zugehörig. Bis sie als junge Frau ihr Leben in die eigenen Hände nimmt. Emmie Arbel lebt heute nahe Haifa. Auf Basis persönlicher Begegnungen und zahlreicher intensiver Gespräche mit Emmie Arbel schafft Barbara Yelin eindringliche Erinnerungsliteratur, die zugleich eine Reflexion über das Erinnern selbst ist.

Barbara Yelin, geboren 1977 in München, gehört zu den bekanntesten deutschen Comic-Künstler*innen. Ihr vielfach ausgezeichnetes Gesamtwerk umfasst Graphic Novels, Web-Comics, Comic-Strips, Illustrationen für Tageszeitungen, Magazine sowie Kinderbücher. Ihre Werke werden regelmäßig in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert. Mit ihrer einfühlsamen Aquarelltechnik und knappen Textanteilen schafft sie es Lebensgeschichten so eindrücklich zu erzählen, dass sie lange nachhallen.

Diese Veranstaltung wird vom Institut Pierre Werner in Zusammenarbeit mit der Universität Luxemburg und mit Unterstützung von d’Frënn vun der 9. Konscht organisiert.
(Pressetext vum Institut Pierre Werner)