Gerd Klestadt, als Junge im Konzentrationslager Bergen-Belsen

Text vum Gerd Klestadt:

"Manchmal bin ich verzweifelt und weiß nicht, wie es weitergehen soll mit dieser Welt. Überall gibt es wieder Krieg und Totschlag, Mord und Vergewaltigungen. Deshalb erzähle ich euch meine Geschichte. Meine Geschichte soll euch die Sinnlosigkeit von Krieg und Gewalt vor Augen führen und dabei helfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen."  (Gerd Klestadt)
Mein Name ist Gerd Klestadt. Ich bin 1932 in einer jüdischen Familie in Düsseldorf zur Welt gekommen. Anfang 1937 bin ich mit meiner Familie in die Niederlande geflohen, um den Verfolgungen und Diskriminierungen durch die NS-Regierung zu entkommen. Meine gesamte Familie wurde enteignet, ausgeraubt und ausgebürgert. Aber auch in den Niederlanden waren wir nur eine gewisse Zeit sicher. Aus unserem Versteck heraus wurden wir im März 1943 verhaftet und nach Westerbork verschleppt. Von dort aus wurde meine Großmutter nach Sobibor deportiert. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört. Mit meinen Eltern und meinem jüngeren Bruder kamen wir nach Bergen-Belsen. Mein geliebter Vater, mit dem ich mir eine Schlafstelle geteilt hatte, lag eines morgens tot neben mir. Er musste schwer arbeiten und ist an Auszehrung, Erschöpfung und Hunger gestorben. Diese traumatische Erfahrung verfolgt mich bis heute.
Mit meiner Mutter und meinem jüngeren Bruder Peter haben wir Anfang April 1945 das Lager mit einem Zug verlassen und wurden in Farsleben von den Alliierten befreit.
Nach einer langen und schwierigen Phase der Depression und einer Therapie, die mir half, wieder Lebensmut zu fassen, gehe ich seit mehr als 20 Jahren in Schulen unter anderem in Luxemburg, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Etwa 20.000 junge Menschen habe ich schon mit meiner Geschichte erreicht. In den letzten Jahren habe ich auch zahlreichen Klassen begleitet, die in Gedenkstätten gefahren sind. Für meine unermüdliche Zeitzeugenarbeit habe ich in den letzten Jahren mehrere Auszeichnungen erhalten: Ordre de la Couronne de chêne (2014), Bundesverdienstkreuz mit Schleife (2016) und René-Oppenheimer-Preis (2023). 
Die Autorin Dr. Kathrin Meß hat in den letzten drei Jahren ein Buch mit mir zusammen verfasst. Dieses Buch ist eine Art Vermächtnis von mir, damit meine Geschichte nicht in Vergessenheit gerät und meine Erinnerungen für die nachfolgenden Generationen gesichert werden können. Dies ist mir ein sehr wichtiges Anliegen in einer Zeit des erstarkenden Antisemitismus und rechtsextremer Parteien in Europa. 
Meine Geschichte soll den jungen Menschen zeigen, wohin Antisemitismus als eine rassistische Ideologie der Ungleichwertigkeit führen kann – nämlich zu Ausgrenzung, Diskriminierung, Vertreibung und Vernichtung von Menschen.

RTL

© ISGL

Dr. Kathrin Mess hat Germanistik, Kunstgeschichte, Philosophie und Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin studiert. 2006 promovierte sie mit einer Biografie über die Luxemburger Resistenzlerin Yvonne Useldinger, die im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück ein Tagebuch geschrieben hatte. Seitdem arbeitet sie in Luxemburg in der Erzieher/innen-Ausbildung (ENAD), in der politischen Bildungsarbeit, als Autorin historischer Bücher und als Kuratorin zahlreicher Ausstellungen über beispielsweise Lily Unden, Madeleine Weis-Bauler, Kunst in Konzentrationslagern oder häusliche Gewalt. Mess ist u.a. ehrenamtlich engagiert in der Initiative gegen Antisemitismus « AUGEN AUF! » in Saarburg und als stellvertr. Vorsitzende im Förderverein SS-Sonderlager/KZ-Hinzert.

"Noch heute quält mich die Erinnerung - Gerd Klestadt, als Junge im Konzentrationslager Bergen-Belsen"
Kathrin Mess
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