Offener Brief an die Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg

Der ursprüngliche Entwurf der "Magna Charta" für Demokratiestädte wurde 2018 in Rom formuliert. Seitdem war er Gegenstand einer umfassenden weltweiten Diskussion. Nun wurde das ursprüngliche Dokument weiterentwickelt, überarbeitet und zu einem Kommunikationsinstrument umgestaltet. Das Dokument benennt 20 verschiedene Dimensionen für den demokratischen Fortschritt auf lokaler Ebene - damit sich Bürgerinnen und Bürger sowie städtische Institutionen ein Bild davon machen können, wo die eigene Stadt in Bezug auf die Demokratieentwicklung steht.

Als Beispiel seien drei der zwanzig Dimensionen angeführt:

1. Demokratisierung als Daueraufgabe - Strukturelle Verankerung der permanenten Demokratisierung: Demokratiestädte sind Orte, an denen Menschen unermüdlich daran arbeiten, ihr Gemeinwesen demokratischer zu gestalten. Demokratiestädte sind Suchende. Sie experimentieren. Sie suchen nach neuen und alten, bewährten und unbewiesenen Wegen, um die Beteiligung zu vertiefen. Demokratiestädte geben sich nie mit den demokratischen Fortschritten von heute zufrieden - weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, an denen von morgen zu arbeiten.

2. Eine Stimme für junge Menschen - eine echte demokratische Stimme für junge Menschen: Eine demokratische Stadt arbeitet nicht nur daran, die Jugend für die Demokratie zu erziehen und auszubilden, sondern auch daran, jungen Menschen, auch solchen, die noch nicht alt genug sind, um zu wählen, echte demokratische Macht zu geben, insbesondere bei den Themen, die sie am meisten betreffen.

3. Soziale Bewegungen als Motoren der Demokratie - Förderung des Austauschs zwischen Menschen und sozialen Bewegungen: Eine demokratische Stadt ist ein Ort, an dem die Menschen mit Nachbarn und Fremden gleichermaßen in Kontakt treten können. Eine solche Stadt fördert soziale Bewegungen, die sich für den Schutz und die Stärkung der Demokratie einsetzen.

Die andern 17 Dimensionen umfassen folgende Themen: Raum für Dialog, Demokratie als Gleichheit, Infrastruktur der Beteiligung, Schutz der lokalen Selbstbestimmung, von der lokalen zur nationalen und transnationalen Ebene, Agenda 2030 in der Praxis: Nachhaltigkeit, Partizipation als Prozess, Durchsetzung und Transparenz, Wahlen leicht gemacht, jeder Einwohner ist auch ein Bürger, jede Stimme wird gehört, Unterstützung der Demokratie, moderne direkte Demokratie, offene Verwaltung, Repräsentation der Unterrepräsentierten, Medien und öffentliche Infrastruktur, Stadt der "glücklichen Verlierer" (Für die Details siehe: https://www.democracy.community/files/inline-files/german_magna_charta1.pdf).

Die luxemburgische Vereinigung für mehr Demokratie - MDBGL asbl (ehemals: Initiativ fir Direkt Demokratie asbl / www.demokratie.lu) war sowohl 2018 in Rom beim Start der Initiative dabei wie auch in Luzern im September 2022, wo sich der Kreis der Bürgermeister, die die Charta im Rahmen des zehnten «Global Forum on Modern Direct Democracy» unterschrieben, erweiterte. Am Samstag, dem 24. September 2022, standen im Rahmen des Demokratiestädtegipfels spezifische städtische Herausforderungen und Bedürfnisse im Fokus. Mit der internationalen Zusammenarbeit der Städte wird beabsichtigt, die Demokratie zu schützen und auszubauen. Städte gelten diesbezüglich als besonders innovative Akteure.

Unterschrieben haben bis jetzt Städte aus aller Welt, aus Ost und West wie zum Beispiel Seoul, Taipei, Buenos Aires und Los Angeles. Weitere Unterzeichner sind etwa folgende europäische Hauptstädte: Helsinki, Göteborg, Reykjavik, Wien, Budapest, Rom. In der langen Liste sind auch Barcelona oder Amsterdam zu finden. Auch die Bürgermeister einiger Städte unserer Nachbarländer wollen den demokratischen Geist in der Praxis stärken, wie etwa Metz, Nancy, Köln oder Brüssel.

Aber wo bleibt unsere Hauptstadt? Wo ist Luxemburg? Wird die Stadt Luxemburg nicht seit langen Jahren von Bürgermeistern der „Demokratischen Partei“ regiert?  Wenn ausgerechnet die DP nicht für die Entwicklung demokratischer Kultur stünde, dann stimmt doch etwas nicht, oder?

Somit machen wir den Aufruf an die Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, dieser Charta in Wort und Tat im Namen aller Bürger schnellstmöglich beizutreten und den anderen Städten diesbezüglich in nichts nachzustehen, sondern endlich zu den Vorreitern zu gehören. Vor den Gemeindewahlen wäre dies zudem ein ermutigendes Zeichen in einer Welt, wo echte Demokratie abnimmt statt zunimmt. Wenn die demokratische Partizipation aber auf lokaler Ebene erfolgreich ist, werden die Bürger sie auch auf nationaler und internationaler Ebene fordern. Und das wird der Welt guttun.

Alfred Groff, Vorsitzender der Mehr Demokratie asbl Lëtzebuerg