Wacht endlich auf! Europas Demokratien sind in Gefahr!

Wacht endlich auf! So lautet der Titel des Kommentars, welchen die stellvertretende Chefredakteurin des «Spiegel», Frau Dr. Melanie Amann am 12. Januar 2024 veröffentlichte.
Anlass dieser Publikation war das durch Recherchen von «Correctiv» bekannt gewordene Geheimtreffen rechtsextremer Akteure*innen – darunter Vertreter*innen der im deutschen Bundestag vertretenen Partei AFD - in Potsdam, pikanterweise nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, an dem einst die berüchtigte Wannseekonferenz stattfand.
Zentraler Punkt der Tagesordnung war der sogenannte «Remigrationsplan», ein Deportationsplan, der vorsieht, Millionen Menschen aus Deutschland in eine «Musterstadt in Nordafrika» zu deportieren.
Ein Plan der etwa vergleichbar ist mit dem «Madagaskarplan» der Nazis im dritten Reich! Dieser Plan wurde seinerzeit jedoch nicht realisiert, sondern die ursprünglich zur Deportation vorgesehenen Menschen wurden im Holocaust ermordet!
Neu sind diese Deportationsideen allerdings nicht, bereits vor Jahren hat der Thüringer Faschist und AFD-Spitzenpolitiker Bernd Höcke (den darf man laut Gerichtsbeschluss Rechtsextremist und Faschist benennen!) sich in diese Richtung geäussert, er sprach dabei von «wohltemperierten Grausamkeiten»!
Die Lage in Europa:
Das Aufkeimen des Rechtspopulismus und Rechtsextremismus ist in Europa jedoch weder ein spezifisch deutsches Problem, noch ist es in Deutschland ausgeprägter als in manchen anderen europäischen Ländern. Dazu einige Beispiele (Aufzählung nicht komplett):
Italien etwa wird seit einiger Zeit von einer Regierung bestehend aus Neofaschisten und Rechtsradikalen regiert. Diese Regierung wird im Übrigen nicht selten vom EVP-Vorsitzenden Manfred Weber (CSU) gelobt!
In Österreich war die ultrarechte FPÖ an der Regierung beteiligt, musste diese zwar nach dem Ibiza-Skandal wieder verlassen, allerdings hat diese Partei Umfragen zu Folge gute Aussichten bei den nächsten Wahlen stärkste Partei und ihr Vorsitzender Herbert Kickl Bundeskanzler zu werden.
In Bayern ist mit den sogenannten Freien Wählern unter ihrem Vorsitzenden, dem Antisemiten Hubert Aiwanger, eine ultrarechte Partei bereits in der Staatsregierung vertreten.
In der Schweiz ist die rechte SVP stärkste Partei, stellt zwar einen Bundesrat, dennoch ist ihr Einfluss im Schweizer System begrenzt.
In Ungarn ist unter der Leitung von Viktor Orban eine ultrarechte Regierung im Amt, die seit einigen Jahren den Rechtsstaat konsequent aushebelt.
In Polen wurde die Regierung unter der rechtsradikalen PIS zum Glück abgewählt und die aktuelle, wirtschaftsliberale Regierung unter der Leitung vom früheren Europapolitiker Donald Tusk bemüht sich, die durch die PIS angerichtete Beschädigungen des Rechtsstaates wieder rückgängig zu machen, stösst dabei jedoch auf erheblichen Widerstand seitens der radikalisierten PIS-Anhänger*innen.
In Finnland sind die Rechtsradikalen an der Regierung beteiligt, in Schweden tolerieren sie eine Minderheitsregierung.
In den Niederlanden wurde die rechtsradikale Partei von Geerd Wilders bei den rezenten Parlamentswahlen stärkste Partei.
In Frankreich ist der rechtsradikale RN unter Marine Le Pen seit geraumer Zeit eine starke politische Kraft. Nur mit vereinten Kräften der Parteien des demokratischen Spektrums konnte bisher verhindert werden, dass Marine Le Pen zur Präsidentin der Französischen Republik gewählt wurde. Nicht zu vergessen zudem die Partei des rechtsradikalen Eric Zemmour!
In Luxemburg sind die Rechtspopulisten*innen gestärkt aus den letzten Parlamentswahlen hervorgegangen, ihr Einfluss ist derzeit allerdings noch geringer als in vielen anderen EU- Ländern.
Einfluss der Rechtspopulisten*innen und Rechtsextremisten*innen in Europa
Zwar sind Rechtspopulisten*innen und Rechtsextremisten*innen noch in vielen Ländern nicht in den Regierungen vertreten, allerdings ist ihr Einfluss auf die Politik dennoch bereits in den meisten Ländern alarmierend deutlich erkennbar! Auch dazu einige Beispiele:
Etwa in Frankreich, wo das neue Gesetz «loi immigration» stark vom Einfluss der Rechten geprägt wurde und gar vom RN als eigener Erfolg verbucht wurde!
Emmanuel Macron, der König der Reichen, Vergewaltiger und Sexisten Frankreichs hat bei seiner rezenten Regierungsumbildung alle eher fortschrittlich gesinnten Minister*innen aus dem Kabinett entfernt und durch Rechte ersetzt.
In Deutschland bezeichnet NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die ADF zwar korrekterweise als gefährliche Nazi-Partei, fordert jedoch gleichzeitig die Ampelregierung zur Zusammenarbeit betreffend die Verschärfung des Asylrechts auf.
In Luxemburg erteilt der neue Innenminister (CSV) als erste Amtshandlung einem populistischen Gemeinderegelwerk, welches ein generelles Bettelverbot im Bereich der Stadt Luxemburg vorsieht und somit die Ärmsten unserer Gesellschaft trifft, seine Zustimmung.
Am 16. Januar 2024 zitiert das «Luxemburger Wort» den Innenminister wie folgt: «Wir werden die Polizeipräsenz in den kommenden Tagen und Wochen graduell hochfahren, um gegen Drogenkriminalität und illegale Zuwanderung vorzugehen, die aggressive Bettelei zu bekämpfen und die öffentliche Sauberkeit wieder herzustellen, dort, wo es nötig ist». Also bei «öffentlicher Sauberkeit» dachte ich stets, dass dies Aufgabe des Hygienedienstes sei und nicht die der Polizei! Es sei denn, man denkt und spricht wie der rechte französische Expräsident Nicolas Sarkozy!
Generell ist in der EU eine starke Tendenz zur Verschärfung des Asylrechts zu verzeichnen, Massnahmen, welche effektiv die Ursachen, dass so viele Menschen sich zur Flucht gezwungen sehen, bekämpfen sind hingegen kaum erkennbar!
Die Politik lässt sich derzeit von der Rechten regelrecht vor sich hertreiben und sich kontinuierlich stärker von deren Forderungen beeinflussen!
Die Menschlichkeit tritt mehr und mehr in den Hintergrund! Demnach: Rechts wirkt!
Welche Gegenmassnahmen drängen sich auf?
Wacht endlich auf! schreibt Melanie Amann in ihrem Kommentar und hat völlig Recht mit ihrer Forderung!
Viel zu lange wurde dem Aufkeimen von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus tatenlos zugeschaut, man hoffte halt, dass dies ein vorrübergehender Trend sei.
Derzeit dämmert es den meisten wohl, dass dem leider nicht so ist und eine gewisse Panik macht sich breit.
Besonders in Deutschland überschlagen sich derzeit die Forderungen und reichen von einem Verbot der AFD bis zur vom CDU Vorsitzenden Friedrich Merz formulierten Notwendigkeit sich «verstärkt mit der AFD auseinander zu setzen».
Fast noch beängstigender als der Stimmenzuwachs der ultrarechten Parteien ist der Umstand, dass die Politik vieler Parteien des demokratischen Spektrums sich unter diesem Einfluss ebenfalls nach rechts verschiebt! Manche Politiker*innen scheinen allen Ernstes zu glauben, dass sie den ultrarechten das Wasser abgraben könnten in dem sie deren Forderungen (z.B. nach einem verschärften Asylrecht) übernehmen. Sie irren allerdings gewaltig, im Zweifelsfall wird dann doch das Original gewählt werden.
Nach verlorenen Wahlen sprechen Politiker*innen häufig davon, dass es ihnen wohl nicht gelungen sei, ihre Politik richtig zu vermitteln. Dass diese Politik schlichtweg falsch und gegen die Interessen der Wähler*innen gerichtet sein könnte, das kommt ihnen spontan so nicht in den Sinn! Grenzenlose Arroganz mit fatalen Folgen!
Beispiel gefällig: Die seit dem Zusammenbruch des Ostblocks konsequent in Europa praktizierte Aushöhlung des Sozialstaates, die zur Verarmung von Millionen Menschen geführt hat.
Ich gehe mal davon aus, dass es sich bei den Wählern*innen der ultrarechten Parteien zum Teil um Protestwähler handelt, allerdings wird ein Grossteil die rechte Gesinnung wohl teilen!
Es drängen sich demnach einige parallele Massnahmen auf, wie etwa:
Wirksame Bekämpfung der Armut und der Wohnungsnot sowie konsequente Verbesserung des Sozialstaates und der Sozialsysteme!
Substanzielle Erhöhung der Mindestlöhne und Renten. Alle Einwohner*innen der EU müssen zu jedem Zeitpunkt über ein Einkommen verfügen, das ihnen ein würdiges Leben ermöglicht!
Verbesserung der Gesundheitsversorgung verbunden mit einer Vergesellschaftung der Krankenhäuser. Es ist völlig inakzeptabel, dass Investoren die Möglichkeit haben auf der Gesundheitsversorgung Geld zu verdienen!
Konsequente Gleichstellung ALLER in der EU lebenden Menschen. Selbstredend ist die Gleichberechtigung aller Geschlechter von allen Einwohnern*innen zu respektieren, Personen, welche diese Bestimmung nicht respektieren, werden je nach Status entweder konsequent bestraft oder aber ausgewiesen.
Wahlrecht für die Menschen in dem EU-Land in dem Sie leben.
Zum Asylrecht: Eine Verschärfung des Asylrechts ist aus Gründen der Menschlichkeit strikt abzulehnen, vielmehr sind die Ursachen, welche die massiven Fluchtwellen auslösen, konsequent zu bekämpfen. Bei guten Lebensbedingungen in ihren Heimatländern werden viele Menschen es vorziehen dort eine Existenz zu gründen.
Proaktive Information für alle Bürger betreffend die Gefahren welche von den rechtsextremen Parteien und Organisationen ausgehen.
In einem Beitrag in der Zeitung «Falter» denkt der Autor Armin Thurner über eine «Allparteienkoalition gegen den kommenden Faschismus» nach. Grundsätzlich keine schlechte Idee, in der Tat sollten die Parteien des demokratischen Spektrums sich bezüglich Gegenmassnahmen abstimmen, was durchaus möglich sein müsste, ohne das eigene Profil zu verlieren.
Auftritte von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in vom Rundfunk übertragenen Sendungen sind künftig zu unterbinden.
Um zu verhindern, dass die rechtsextremen, verfassungsfeindlichen Parteien die demokratisch gewählten Parlamente auf ganz legalem Weg infiltrieren und so die Gelegenheit bekommen die Demokratien von innen heraus zu zerstören, werden in verschiedenen Fällen Parteienverbote eine unumgängliche Massnahme darstellen. In Deutschland sollte die kritische Masse zu einer derartigen Prozedur mit dem zutiefst menschenverachtenden Deportationsplan eigentlich längst erreicht sein, oder! Eine umgehende Prüfung durch die zuständigen Instanzen drängt sich auf.
Die gesetzgebenden Organe aller EU-Länder müssen demnach die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen in den jeweiligen Ländern überprüfen und ggf. zeitnah anpassen damit sie im Bedarfsfall auch wirkungsvoll angewendet werden können.
Panik wäre der falsche Ratgeber, doch die Zeit drängt!
Guy Mathey