Liebe Eigentümer des in dem Beitrag erwähnten Hühnerstalles. Ich wende mich gleich am Anfang mit viel Ernst an Sie, um Ihnen zu zeigen, dass ich versuche Ihren Ärger und die Ängste die mit der verwerflichen Tat verbunden sind, nachzuvollziehen. Sie werden sich wohl noch eine längere Zeit Fremden gegenüber misstrauisch und vorsichtig verhalten. Ich hoffe, erfolgreiche polizeiliche Ermittlungen werden Ihnen das Vertrauen in die Menschheit wiedergeben.

Hesperingen, eine Gemeinde in welcher die Nachfolger Christi das politische Sagen haben und je nach Lust und Laune ihres Bürgermeisters das Wetter und noch so manches darüber hinaus gestalten. Dies geschieht unter der strengen Aufsicht ihres Sozius-Partner, der Demokratischen Partei, die zwar nicht unbedingt das Bett mit erstgenannten teilen möchte, jedoch mit Argusaugen darüber wacht, dass man ihr den gerechten Anteil am Kuchen nicht vorenthalten wird. Da war doch noch was ..., ein Makel der zwar juristisch aufgearbeitet wurde, in den Köpfen der Bürger dieser Generation jedoch auch weiterhin seinen festen Platz haben wird. Ein Loch war im Eimer, Karl-Otto. In dem Eimer wurde das Gemeindesäckel aufbewahrt, das ebenfalls leckte und so geschah es, dass das ausfließende Geld sich gemäß den Naturgesetzen wie das Wasser seinen Weg suchte und, welch ein Zufall, in vorbestimmten Taschen sich verfestigte und Unterschlupf fand.

In einem privaten Hühnerstall. Hahn Koko, ein aussergewöhnlich prächtiges Exemplar seiner Art, Erzeuger und Vater eines jeden einzelnes hier geschlüpften Kükens. Sein innerer Wecker hat ihn eben aufwachen lassen, er begutachtet den feinen Lichtstreifen am Horizont und entscheidet sich, den Beginn des neuen Tages anzukündigen. Er stellt sich breitbeinig in Positur, nimmt tief Luft, legt den farbenprächtigen Kopf in den Nacken und gibt einen Schrei von sich, der bis weit über die Gemeindegrenzen hinweg zu hören ist. Es dauert nicht lange bis die Antwort aus verschiedenen Richtungen zu ihm kommt. Nach einem mehrmaligen Ausstausch ist man sich einig: die Hähne sind bereit, der Tag kann beginnen.

Inzwischen steht auch sein eigenes Federvieh in Reih und Glied, um ihren Chef zu begrüßen. Nicht alle, fünf sind weg, haben allerdings ihre Köpfe körperlos zurückgelassen. Der gütige Familienvater nimmt es gelassen und findet beruhigende Worte dazu: „Ich bin mir bewusst, dass ich Euch meinem Alter gemäß nicht mehr alle so intensiv betreuen kann wie früher. Mir scheint, als hätten sich unsere Freundinnen um den Kopf geredet, bevor sie zu einem jüngeren Hahn umgezogen sind. Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, wozu ein fremder Hahn kopflose Hühner bei sich aufnehmen sollte.“ Nach diesen Worten wenden sich alle ihrem gewohnten Alltagstrott zu.

Plötzlich durchdringen markerschütternde Schreie das monotone Hühnergeschnatter. Die Besitzerin hat die fünf Hühnerköpfe gefunden und ist untröstlich.

Wer glaubt, dass Verbrechen und Politk zwei getrennte Bereiche sind, deren Vermischung nicht erwünscht ist, hat recht. Der Bürgermeister jedoch fühlt sich verantwortlich, den schrecklichen Meuchelmord in eigener Regie so schnell wie möglich aufzuklären. Die Polizei wird aus Gesetzesgründen halbherzig hinzugezogen. Ihre Möglichkeiten bei der Spurenaufnahme sind allerdings begrenzt. Eine Datenbank, in der Pfotenabdrücke von Federvieh erfaßt werden, wie bei uns Menschen die Fingerabdrücke, besteht nicht. Eine Waffe wird nirgendwo gefunden, ebenso wie die fehlenden Leichen, die bestimmt bereits auf einem Herd vor sich hinbrutzeln. Zur DNA-Überprüfung wird jedem Huhn eine Feder ausgezupft, damit später der Bericht als gewissenhaft und korrekt abgeschlossen werden kann.

Noch im Verlaufe des gleichen Tages, zu frühen Nachtstunde, beglückt der emsige, vielseitig begabte Herr Bürgermeister die beunruhigte Bevölkerung mit den Ergebnissen seiner Untersuchungen. Schuld an dem Schlamassel ist seiner Überzeugung nach ganz allein ein gewisser Herr Asselborn, bis vor kurzem noch seines Zeichens Außenminister des Landes. Dieser hat in seiner Mission fast die ganze Welt bereist. Er ist ein jovialer Mann mit einer großen Bodenständigkeit. Er hat sich weltweit auf der internationalen Kabarettbühne verewigt, als er dem italienischen Wortführer auf Grund seiner sturen Einstellung ein kräftiges „Merde alors“ entgegenschleuderte. Seine einheimischen, politischen Gegner forderten daraufhin die Wiedereinführung der Todesstrafe. Der Bürgermeister traut ihm zu, in seinem Reisegepäck stets eine bestimmte Zahl illegaler Einwanderer eingeschleppt zu haben.

Den Luxemburgern ist bekannt, dass der Herr Asselborn, ein begeisterter Radfahrer, seit seinem Rücktritt den ihm noch für eine Weile zustehenden Dienstwagen abgelehnt und sich den Wert in Form von 213 Fahrrädern abgelten ließ. Es wurden aber weder im Bodenstreu des Stalles, noch um den Stall herum, die geringste Spur eines Fahrradreifens gesichtet.

Der Herr Bürgermeister Lies, liess sich zu dem gefährlichen patriotischen Satz verleiten: „Zu dieser schändlichen Tat könnte niemals eine Luxemburger Bürger in Frage kommen.“ Was dem Nachfolger Sherlock Holmes zu seinen hanebüchenen Anschuldigungen allerdings fehlt, sind stichhaltige Beweise. Applaus und Zustimmung zu seinen voreiligen  Schlussfolgerungen kamen aus einer bestimmten Ecke, in der eine Menge schleimiger Polit-Schnecken auf günstige Wetterbedingungen warten, um sich den Christsozialen anbiedern zu können. Randvoll gefüllte Kübel brauner Brühe stehen ebenfalls bereit.

Herr Lies hat bereits sehr schnell nach seiner Schuldzuweisung zu allen Seiten hin zwischen Erklärungen und angedeutete Entschuldigungen auf Fehlinterpretationen und absichtlich falschen Auslegungen hingewiesen. Er schloss sich damit dem im Moment in Luxemburg üblichen politischer Trend an: Maul groß aufreißen, Gift und Galle spucken, abwarten, öffentliche Rechtfertigung: „Ach Ihr Bösartigen, sowas habe ich nicht gedacht, nicht gesagt, nicht gewollt, nicht in dieser Form.“

Der Abschluss solcher Nachträge zu den Grimmschen Märchen bildet ein „Statement.“ Hier steht die oder der Prominente freiwillig im Radio-und Fernsehstudio, in einen kleinkarierten Bademantel eingehüllt, beide Füße in dem bekannten, schmalzgefüllten Fettnäpfchen, um mit peinlichen Ausflüchten das aufgedeckte Fehlverhalten zu rechtfertigen, vor blitzenden Kameras und eifrig notierenden Journalisten.

Ich betrete dünnes Eis, wenn ich die Möglichkeit erwähne, ob denn nicht einer unserer Luxemburger Fremdenhasser sich hat hinreissen lassen, seinem Unmut Luft zu machen und denjenigen die Schuld unterzuschieben, die er aus welchem Grund auch, überhaupt nicht mag? War es nicht zufällig genauso, als dem Herrn Gloden als Bettlergegner Schaden zugefügt wurde in einer Art und Weise, die den Bettlern selbst am meisten geschadet hat?

Ben Schultheis