Die dritte Ausgabe des LOA Festivals auf Belval ist Geschichte und wird wieder einmal in allen Publikationen als grossartiges und erfolgreiches Kultur-Ereignis dargestellt. So haben es ja auch die Oberen der Stadt Esch sicher gewünscht, als sie das Event nach Belval holten, da sie sich davon eine Aufwertung des oft nicht unbedingt wohlgesonnenen Bilds der Stadt erhofften.

Für die Einwohner sah die Sache von Anfang an allerdings ganz anders aus, besonders für die, die direkt am Platz wohnen und denen das Spektakel ungefragt vor die Nase geknallt wurde.
 
Es gibt im Prinzip geeignete Plätze für jede Veranstaltung, so auch für Festivals der Art von elektronischer Musik, wie sie mit dem LOA organisiert wird ( Luxembourg Open Air).  Die Place de l´Academie auf Belval ist es aber definitiv nicht, was wohl jedem klar werden müsste, wenn er sich auf den Platz stellt und den Appartment Türmen der Belvalplaza und Feiersteppler-Gebäude drumrum. Es ist dann schon ein besonderes Ding der Unverfrorenheit, dass man in Esch  vor 2 Jahren auf genau diese Idee kam, solch ein Event in die Mitte der bewohnten Beton-Strukturen in dem noch jungen Viertel zu pflanzen auf erschreckend kurze Distanz zu den Wohnungen der eigenen Bürger und damit ein Nachbarschafts-Monster schuf. Pech, wer sich dann mit seiner Wohnung an der Frontlinie wiederfand. Das umgesetzte Konzept war von Anfang an aus Bewohner-Sicht einfach nur entsetzlich und angesichts der Rücksichtslosigkeit die damit einherging.

Lautsprecher-Anlagen, wie man sie normalerweise in abgeschirmten Konzerthallen oder Open Air Feldern einsetzt, wurden wie Kanonen auf Vorgarten-Distanz auf Wohnungen ausgerichtet ohne sich vorzustellen, wer darin verweilt.  Kleinkinder? Alte Leute? Kranke? Damit wurde kein Gedanke vergeudet. Es ist kaum zu fassen, dass offenkundig keiner der vielen schlauen Planer vorausgesehen hat, was ein extrem lauter und stundenlanger Marathon an monotonen Rhythmen mit starken Bässen bei den Betroffenen anrichten würde. Den Tunnelblick war voll auf den so herbeigesehnten Marketing-Effekt der Hochöfen auf TikTok, Facebook und Instagram gerichtet.

Es  gibt gute Gründe, weswegen solche Festivals eben nicht in unmittelbarer Nähe zu Wohnanlagen organisiert werden sollten, wie zum Beispiel das Coachella-Event mitten in der kalifornischen Wüste oder einem Open Air Feld stattfinden.

Der LOA-Sound ist halt keine Musik der normalen Art, Singen tut ja keiner, sondern für Aussenstehende eine oft schwer zu ertragende sehr invasive endlose Aneinanderreihung sehr ähnlicher besonders starker monotoner, vibrierender Sounds mit besonders vielen und starken hämmernden Bässen, die die Betonstrukturen auf Esch-Belval pausenlos und unerbittlich wie Presslufthämmer durchdringen.  Deswegen ist es auch eine ganz andere Belastung als wenn da ein Sänger oder eine Rock/Pop-Gruppe für einige Stunden auf der Place de l´Academie stehen würde.  Es macht Nicht-Aficionados dieser Musik in ihren Wohnungen einfach nur mürbe und wahnsinnig, wenn es stundenlang pausenlos auf einen eindrischt.  Durchaus eine Form von Psycho-Terror.  Von den Stadtoberen abgesegneter Massen-Hausfriedensbruch der eigenen Bürger.

In der Tat ist es die extreme ununterbrochene Dauer von 9-12 Stunden was die Sache so schlimm macht. Die Kombination aus Art des Lärms und der extremen Dauer ist das Teuflische an dem LOA-Konzept für die unbeteiligten Bewohner.  Was für das Partyvolk auf dem Platz ein grosser Spass ist, bedeutet für betroffene Bewohner drumrum eine schwer zu ertragende Tortur.

So ist es nicht überraschend, dass nach der brutalen Erfahrung der ersten Ausgabe 2021 zahlreiche Esch-Belval-Einwohner in den Folgejahren das erste Mai-Wochenende vorab tiefschwarz im Kalender angekreuzt haben, um das Viertel für Städtereisen vorab fluchtartig zu verlassen.  Das kann man gut erkennen, denn im Gegensatz zu Open Air-Konzerten der Rockhal sind die Terrassen rund um die Place de l´Academie trotz kostenlosem Logen-Blick auf das LOA-Spektakel grösstenteils leer und dunkel.  Bei den anderen Konzerten der Rockhal sah das ganz anders aus, die umliegenden Terrassen waren proppenvoll mit Leuten und das zahlende Publikum genoss es genauso wie die Anwohner.

Beim LOA vesuchten viele Verbliebene, die das Geld und die Zeit für eine Flucht nicht hatten, sich in den hinteren Räumen der Wohnung zu verschanzen. Das hilft aber wegen dem ganzen Beton drumrum wenig, der im ganzen Viertel ohne Schallabsorbierenden Materialien verbaut wurde. Der Bass-Bestie entkommt in dem Umfeld keiner, es sei denn man hat das Glück durch einen Nachbarblock abgeschirmt zu sein, der die ganze Wucht auffängt.  Die Bässe der DJs sind halt nicht gedeckelt. Keiner kontrolliert die Mixer-Jongleure und man lässt die Stars, die sich natürlich so verhalten, wie auf anderen Festivals auch, unbehelligt ohne Auflagen an ihrer Anlage schalten und walten. Je später, desto lauter. Die Top Stars des Lineups kommen halt später und die hauen zu später Stunde dann so richtig rein, so dass sogar die Fenster vibrieren. Mehrfach verglaste Fenster und die besten Noise Cancelling Kopfhörer haben schon vorher aufgegeben.

Nichts gegen Techno oder elektronische Musik. Wer es mag, kein Problem. Aber alles an einem geeigneten Platz und sollte niemanden in Geiselhaft nehmen. Das sollte unausgesprochene Devise sein, besonders in Luxemburg, dass keiner unter kulturellen Events leiden und es verbindend sein sollte. Respekt halt.

Aber auf Belval wurde diese Regel auf perfide Weise gebrochen. Eine Kulturpolitik, die Unbeteiligte derart in Sippenhaft nimmt, ist einfach nur verwerflich. Das kann auch rechtlich nicht in Ordnung sein. Anwälte, die sich damit auskennen, bitte vortreten. Lärm ist gesundheitsschädlich und wegen der aussergewöhnlichen Intensität des Kollateral-Lärms des LOA kommt gerade diese  Belastung auf extrem kurze Distanz einer vorsätzlichen Körperverletzung gleich. Die eigene Wohnung wird eine Art Folterkammer. Man denke an ältere und kranke Einwohner, Familien mit kleinen Kindern, Babies. Und wer denkt eigentlich an die Haustiere? Hunde haben ein Super-Gehör. Nachbars Lumpi geht sicherlich durch die Hölle.

Richtig unverständlich wird das Ganze, wenn man bedenkt, dass sich eine abgeschirmte Konzerthalle auf Rufweite zum Veranstaltungs-Ort befindet. Die Tortur der Einwohner wäre also vermeidbar.  Die Party könnte also durchaus ohne Belastung der Einwohner stattfinden, aber halt nur drinnen.  Da sind die tollen Marketing Bilder natürlich nicht machbar.  Alles klar, ich habe verstanden.

Natürlich haben Einwohnervertreter bei den Verantwortlichen der Stadt beschwert, die hat aber rein gar nichts zur Entschärfung der Lage unternommen, was einen ordentlichen Zorn zur Folge hatte. Der Blankoscheck an die Organisatoren blieb bestehen, es wurde an keiner Stellschraube gedreht. Als ob man Angst hätte, den DJ-Stars mit Vorschriften und Auflagen zu vergraulen wie zum Beispiel sowas Unfassbarem, wie die Lautstärke wegen der sensiblen Lage zu reduzieren und Bässe runterzufahren.  Als gegen Mitternacht der Top-DJ so richtig die Regler hochriss, um die Stimmung zum Scheitelpunkt zu pushen, wurde klar, dass alle Bemühungen um Schmerzlinderung vergeblich waren und so blieb geplagten Bewohnern mit Normalgehör nur noch das Beten und Minuten-Runterzählen zur baldigen Erlösung vom LOA-Martyrium.

Es ist auch bemerkenswert, dass trotz Bürger-Beschwerden nie jemand von offizieller Seite sich bequemte, die Kollateral-Effekte des Festivals in den betroffenen Wohnungen mal ordentlich zu überprüfen. Man hätte gerne den Bürgermeister oder ein Schöffenrats-Mitglied mal für ein paar Stunden eingeladen, um das tolle LOA-Feeling von der Bewohner-Perspektive erleben zu lassen.

Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, die Minettemetropole hat das Ganze von Anfang an eher wie eine grössere Kirmes oder Weihnachtsmarkt betrachtet, die Auswirkungen sträflich unterschätzt  und ausgeblendet. Nun ist das Ding wegen des Erfolgs der Besucher von ausserhalb einfach zu gross geworden ist, um den Geist wieder in die Flasche zurückzukriegen.

Belval ist wahrlich kein ruhiger Ort und wer hier lebt ist sich dessen bewusst und akzeptiert das. Aber der LOA ist eine derartig brutale Lebensqualitäts-Sprengfalle, die man als direkter Anwohner nicht hinnehmen kann. Nichts gegen ein Techno-Event aber etwas weiter weg sollte schon machbar sein. Das ist nicht zu viel verlangt und da sollte sich was in der Nähe finden.

Sollte es allerdings in den nächsten Jahren so weitergehen und das Event sich festsetzen, dann wird es sicherlich die nächste Jahre am ersten Mai-Wochenende weitere Belval-Flüchtlinge geben. Das Wohnviertel wird praktisch Partygängern “übergeben”, die Anwohner verjagt, und das ist einfach inakzeptabel.