„Tatta Tom“ spaltet

Interessiert verfolge ich das Thema „Tatta Tom“ in den sozialen Medien und mein erster Impuls zum Thema ist stets: „Haben wir eigentlich keine größeren Probleme als ein Mensch und Künstler, der Kindern Geschichten erzählt?“
Ich habe mir die verschiedenen Meinungslager angeschaut und habe dies herausgearbeitet: ein eifriger Politiker, der nicht müde wird zu betonen, dass dies nicht in Schulen gehört, da die Kinder einen Schaden davontragen würden; zahlreiche Bürger, die behaupten, dass eine Frau eine Frau sei und ein Mann ein Mann, alles andere wäre wider der Natur; besorgte Eltern, die in der Tat um das Wohlergehen Ihrer Kinder besorgt sind und schließlich die immerzu nörgelnden Schwätzer, die wieder eine Plattform gefunden haben, um Ihren Frust abzulassen.
Fangen wir einfachheitshalber beim Gedanken an, dass eine Frau eine Frau sein soll und ein Mann ein Mann. Natürlich kennen wir die körperlichen Merkmale jedes Geschlechts, aber damit ist es tatsächlich NICHT getan. Vera F. Birkenbihl, die sich intensiv mit der Gehirnentwicklung beschäftigt und eigens Lernmethoden entwickelt hat, erklärt sehr eindruckswohl in einem Ihrer Vorträge (https://www.youtube.com/watch?v=8eEjnqsxlnI), welchen inneren und äußeren Prozessen ein heranwachsender Mensch im Bauch seiner Mutter unterlegen ist, bevor das Geschlecht nach der Geburt bestimmt wird. Hier wird klar, dass es oft unklare körperliche Merkmale gibt und diese wiederum gar nicht mit der inneren, hormonellen Welt des Menschen übereinstimmen müssen. Es gibt eine Vielzahl an Geschlechtsausprägungen und die sind unter anderem eine Laune der Natur.
Die Wissenschaftler sprechen von Intersexualität, auch "Disorders of Sex Development" (Störungen der Geschlechtsentwicklung), wenn ein Baby körperliche Merkmale beider Geschlechter aufweist (Statistik 1:500 in Deutschland!). Da unsere Gesetzgebung eine Zuordnung zu einem Geschlecht fordert, müssen die Eltern und Ärzte entscheiden, welches Geschlecht das Baby offiziell haben soll. Nicht selten wird hier das später „gefühlte“ falsche Geschlecht gewählt und sogar die entsprechenden geschlechtsangleichenden Operationen durchgeführt. De facto fühlen sich intersexuelle Menschen oft ihr Leben lang als „verkehrt“ und den gesellschaftlichen Normen nicht zugehörig. Wie hoch die Selbstmordrate hier ist, ist Spekulation, aber schmerzlich zu erahnen.
Hingegen ist unsere Gesellschaft offener denn je zum Thema Sexualität im Allgemeinen. Im Mittelalter wurde jeder gejagt, gefoltert und getötet, der irgendwie durch seine Andersartigkeit eine scheinbare Bedrohung darstellte und im dritten Reich hat sich dies auf perfide Art noch einmal durchgesetzt bis wir durch die freie Hippiebewegung scheinbar tolerant und offen geworden sind. Aktuell scheint mir dies allerdings wieder rückläufig zu sein, immer mehr Menschen nehmen sich das Recht, lauthals zu deklarieren, was richtig und falsch ist.
Inwiefern schadet nun das Auftreten einer Kunstfigur als Märchenerzähler dem Wohle des Kindes? Unsere Kinder sind uns in jedem Fall in einer Sache voraus: Sie begegnen Ihrer Umgebung offen und vorurteilsfrei und erkennen instinktiv, ob jemand in guter oder böser Absicht ihnen nähert, da Ihr Verstand noch nicht überhandgenommen hat. Kinder lauschen gern spannenden Geschichten, egal ob von Zauberern, Clowns, Drachen, Hexen oder „Tatta Toms“. Ich lehne mich sogar soweit aus dem Fenster und behaupte, dass ganz andere Dinge dem Wohl des Kindes schaden wie zb. wenn die Eltern emotional abwesend sind, permanent miteinander schreien, ein Elternteil im Beisein eines Kindes Ballerspiele spielt, einer Sucht nachgeht oder blutige Filme schaut. Nehmen wir dann noch die Themen Kindesmissbrauch und Gewalt gegen Kinder hinzu, welche sich überwiegend im geschützten Raum der Familie abspielen, wage ich zu bezweifeln, dass „Tatta Tom“ unser eigentliches Problem ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint mir dieser Hass gegen die Kunstfigur eher mehr als absurd, zumal sich eine Partei aktuell fast ausschließlich hiermit um Stimmen bemüht. Dann bleibt mir nur zu sagen: Shame!
Carole Lexis-Weis