Die Beurteilung der Gemeindefinanzen...

... auf der Grundlage einer einzigen Kennzahl ist unzureichend.
In den letzten Wochen war die Verschuldungssituation der Gemeinden wieder einmal Thema in den Medien. Diesmal wurde für den Vergleich der Gemeinden nicht die Pro-Kopf-Verschuldung, sondern die Annuität im Verhältnis zu den ordentlichen Einnahmen herangezogen, um einen „aufschlussreicheren Blick auf die Schuldensituation“ der Gemeinden zu erhalten.
Aus ökonomischer Sicht ist durchaus einzuräumen, dass der Schuldenstand und die Pro-Kopf-Verschuldung keine wesentliche Aussage über die Schuldentragfähigkeit einer Gemeinde zulassen. Ob aber das Verhältnis der Annuität zu den ordentlichen Einnahmen wesentlich aussagekräftiger ist und einen „aufschlussreicheren Blick auf die Schuldensituation“ der Gemeinde erlaubt, darf getrost bezweifelt werden.
Generell wird der kameralistischen Buchführung nachgesagt, dass sie die Dokumentation von Vermögen und Schulden nur eingeschränkt erfasst, da z.B. eine Bewertung und Bilanzierung des Vermögens (möglicherweise aus guten Gründen für die öffentlichen Haushalte) nicht erfolgt. Eine hohe Verschuldung kann, so die Aussage des Ministeriums im LW-Artikel vom 10. September 2024, dadurch entstehen, dass viel in die Infrastruktur investiert wird und diese Investitionen in der Zukunft nicht mehr getätigt werden müssen. In die Darstellung der Verschuldungssituation einer Gemeinde sollte daher unbedingt eine qualitative Bewertung der Investitionen einfließen, d.h. eine Bewertung, in was die Gemeinde investiert und ob diese Investitionen Wachstum und Beschäftigung auslösen können. Auch das Vermögen (z.B. gemeindeeigene Immobilien) sollte bewertet werden, da dieses im Extremfall zur Liquiditätsbeschaffung veräußert werden könnte.
Auch die Einwohnerzahl darf bei der Beurteilung der Verschuldungssituation nicht außer Acht gelassen werden, da sie die staatlichen Dotationen wesentlich bestimmt und somit als Risikokennzahl für Einnahmen angesehen werden kann. Vereinfacht ausgedrückt entspricht der Verlust von 50 Einwohnern in einer Gemeinde wie Wiltz etwa 0,6 % der Gesamtbevölkerung, während der Verlust von 50 Einwohnern in Saeul 5,1 % ausmacht. Ein Rückgang der Staatsdotationen aufgrund des Verlusts der gleichen Einwohnerzahl wäre daher für Saeul im Verhältnis zur Gesamtdotation wahrscheinlich ungleich höher als für Wiltz. Es müsste also das Verhältnis der Annuitäten zu den ordentlichen Einnahmen mit der Einwohnerzahl oder auch mit einer Prognose der zukünftigen Einwohnerzahl gewichtet werden, wobei auch diese Kennzahl die Verschuldungssituation der Gemeinden nur unzureichend abbilden würde.
Als Fazit kann daher nur festgehalten werden, dass eine mehrdimensionale Betrachtungsweise gewählt werden muss, um die Verschuldungssituation der Gemeinde möglichst aussagekräftig darstellen zu können. Dieser Leserbrief ist daher auch als Appell zu verstehen, einen solchen Ansatz für die Zukunft zu entwickeln und auf dieser Basis auch Vergleiche von Gemeinden hinsichtlich ihrer Schulden in den Medien darzustellen.
Maurice Muller, Wiltz