Radikale Kirchenreformer

Gedanken zu einem aufschlussreichen Papstbesuch in Luxemburg und Belgien.
Zugegeben, ein bevorstehender Papstbesuch löst bei einem längst aus der katholischen Kirche ausgetretenen Atheisten nicht unbedingt Begeisterungsstürme aus, vielmehr sieht er dem kommenden Event eher indifferent bis – in Anbetracht der zu erwartenden Missachtung der bestehenden Trennung von Kirche und Staat durch die erzkatholischen Vertreter*innen der obsoleten Monarchien - leicht genervt entgegen.
Mit etwas Abstand muss ich allerdings gestehen, dass der Papstbesuch in beiden Ländern doch lohnender als ursprünglich gedacht war, und dies nicht nur für gläubige Christ*innen, welche das Oberhaupt ihrer Glaubensgemeinschaft freudig begrüssen durften, sondern insbesondere auch für alle Verfechter*innen einer offenen toleranten Gesellschaft in welcher die allgemeinen Menschenrechte als Dreh und Angelpunkt anerkannt sind.
So bot der Papstbesuch vielen Akteur*innen eine exzellente Gelegenheit zu wichtigen Themen ihre Position zu verdeutlichen und leistete somit einen doch bemerkenswerten Beitrag im Meinungsbildungsprozess zu gesellschaftlich relevanten Themen!
Was die Vertreter der Monarchien betrifft, überraschte der belgische König Philippe unerwarteterweise positiv, in dem er das Thema sexueller Missbrauch und dessen Vertuschung, eines der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der katholischen Kirche offensiv ansprach und auf Aufarbeitung drängte.
Und Luxemburgs Grossherzog? NICHTS dergleichen, es dürfte niemanden wirklich überraschen!
Auch der belgische Premierminister Alexander de Croo griff das Thema auf und forderte energisch eine zeitnahe Klärung der schlimmen Verbrechen.
Luxemburgs CEO Luc Frieden hingegen scheint das Thema überhaupt nicht zu berühren, erwähnte er in seiner schleimigen Begrüssungsrede doch keinerlei kritische Punkte. Er konzentriert sich wohl auch künftig lieber auf die Bekämpfung der Armen und die Befriedigung der Interessen des Kapitals.
Die Aussagen von Papst Franziskus, der in Luxemburg bekanntlich auf Staatsvisite war, muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen:
Da forderte der «Staatsgast» die Luxemburger*innen doch tatsächlich auf mehr Kinder zu gebären! Davon, dass Familienplanung Privatsache sei, hat er wohl noch nichts gehört! Franziskus ist wohl der erste Staatsgast, welcher sich in die Familienplanung seines Gastlandes einmischt!
Seine frauenverachtende Aussage, dass Abtreibung «Auftragsmord» sei, ist ja bereits hinlänglich bekannt. Darüber hinaus hat er seine patriarchalische Sicht auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft nochmals verdeutlicht: Er betrachtet die Frau als Gebärmaschine, als Heimchen am Herd, welche sich dem Mann unterzuordnen hat.
Überaus respektabel die berechtigt heftige Gegenreaktion der UC Louvain und ihrer Rektorin, welche darauf erfolgte!
Aus Luxemburg hat man von offizieller Seite erwartungsgemäss keine Reaktion vernommen, was wiederum tief blicken lässt.
Auf dem Rückflug von Brüssel nach Rom erdreistete sich Papst Franziskus gar zu behaupten, Ärzt*innen, welche Abtreibungen durchführen, seien Auftragsmörder*innen! Sollte eigentlich strafbar sein, Menschen, welche im Rahmen gültiger Gesetzgebung ihrer humanen Arbeit nachgehen als Auftragsmörder*innen zu beschimpfen, oder?
Mit seinen menschenrechtsverachtenden Aussagen – man kann getrost von «Hate Speech by Vatican» sprechen - hat der Papst sich eindeutig als Radikaler positioniert. Was ihn hingegen als Reformer auszeichnen soll, bleibt mir bislang verborgen.
Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, sozusagen die rechte Hand des Papstes, teilt logischerweise dessen ablehnende Haltung gegenüber der Abtreibung. Dabei kommt die heuchlerische Haltung der katholischen Kirche besonders gut zum Vorschein: Einerseits gibt man vor das Leben schützen zu wollen, dabei schert man sich einen Dreck um das Schicksal der ungewollt schwangeren Frauen!
In den Augen der kirchlichen Patriarchen, welche die Frau als Gebärmaschine betrachten, ist der Wert einiger Körperzellen, welche sich zu einem späteren Zeitpunkt zu menschlichem Leben entwickeln können, wertvoller als das Leben der bereits real lebenden Frau!
Nein, nicht das Leben ist den Kirchenfürsten wichtig, nein es ist ganz allein die Macht über die Menschen zählt für sie!
Die Gleichberechtigung der Frau innerhalb der katholischen Kirche scheint weiterhin in weiter Ferne! Mittlerweile versteckt man sich hinter einer angeblich ablehnenden Haltung afrikanischer Bischöfe, einfach lächerlich!
Nicht minder peinlich die Stellungnahme des Kardinals in der Angelegenheit CARITAS Luxemburg. Die CARITAS hätte ihn nicht informiert und man wolle sich ja nicht aufdrängen!
Wäre es nicht Aufgabe der Kirche und ihres Oberhirten gewesen, selbst aktiv zu werden, wenn einer der wichtigsten Akteure des Luxemburger Sozialwesens in Folge eines Verbrechens unverschuldet in Schieflage gerät? Zudem, wenn diese Organisation dem Bistum nahesteht und dieses gar einen Vertreter im Caritas Verwaltungsrat hat!
Dabei geht es keineswegs darum, dass das Bistum die gestohlenen Geldbeträge ausgleichen soll, in diesem Kontext muss die Justiz bekanntlich zunächst mal die Verantwortlichkeiten klären.
An Empathie für die CARITAS - Beschäftigten, welche riskieren arbeitslos zu werden, lässt es der Herr Kardinal ebenfalls vermissen, vielmehr nutzt er die Gelegenheit Sozialneid zu schüren in dem er behauptet die Caritas-Gehälter seien viel höher als jene beim Bistum.
Interessante Aussage, OGBL und LCGB sollten sich mal schleunigst um die Bistum-Beschäftigten kümmern!
Eine beachtenswerte Gesprächsrunde fand im Rahmen des Papstbesuchs im «RTL Kloertext» statt, wo mit Linda Schuster, Théo Péporté und Jean-Marie Weber drei sympathische kritische Katholik*innen mit der RTL- Journalistin Caroline Mart eine interessante und bereichernde Diskussion zu kirchlichen Themen führten.
Demnach ist es auch für einen Atheisten erfreulich festzustellen, dass bei weitem nicht alle Katholik*innen die anachronistischen Weltansichten von Papst und Kardinal teilen!
Guy MATHEY