Wer behauptet, Luxemburg sei der Langeweiler in Europa, der irrt sich gewaltig. Nach dem Wechselbad an Gefühlen der letzten Wochen würden wir mit Freuden wieder ein normales Leben aufnehmen. Doch diese Themen liegen uns noch schwer im Magen:

1.      Der Großherzog hatte den Papst auf unsere Kosten zu einem kurzen Besuch eingeladen. Auffallend war der personelle Aufwand an Wachpersonal. Wagen sind Geschmackssache, und mir würde es niemals einfallen, in aller Öffentlichkeit am helllichten Tag ein Papamobil zu stehlen. Es wäre mir zu auffällig, und ich bin allergisch auf Weihrauchgeruch. Wozu denn die übertriebenen Sicherheitsmaßnahmen? Die armen Wachleute liefen hechelnd im guten Faden gekleidet unter strömendem Regen hinterher, während Papst und Fahrer gutgelaunt, scheinbar die letzten Witze austauschten. Der Arm, der aus dem Seitenfenster den begeisterten Schulkindern am Straßenrand zuwinkte, war nach dem heutigen Begriff ein absoluter Fake. Zu wem er gehörte war unwichtig, aber es war eine weise Entscheidung, um den hohen Gast vor einer Erkältung zu schützen und dennoch dem wartenden Publikum die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.
In seiner Rolle als Vertreter einer Religionsgemeinschaft richtete der Pontifex später ein paar Worte an die Gläubigen, die sich glücklich schätzen konnten, eine Eintrittskarte zu der Zeremonie in der prallgefüllten Kathedrale ergattert zu haben. Seine Ansprache war geprägt von mittelalterlichem Gedankengut und alles andere als frauenfreundlich. Sein Weg war mit etlichen Fettnäpfchen gepflastert, und er war bemüht, kein einziges auszulassen.

Er drückte seine Besorgnis aus über den Rückgang der Geburten und versuchte die Rolle der Frau in der Gesellschaft nach seiner Denkweise neu zu definieren, was ein verheirateter Mann sich bei Frauen nie trauen würde. Wird er in seinem Beruf doch stets als der gute Hirte dargestellt, so dürfen wir nicht vergessen, dass Schafe nicht bloß gezüchtet werden, um beim Kirmesmarsch mitzuwirken, und dass Lämmchen besonders niedlich sind im Zusammenhang mit gefärbten Ostereiern, sondern dass ihr letzter Weg sie auch beim gütigsten aller Hirten zum Schlachter führt. Mit etwas gutem Willen könnte der Vatikan sich mit dem Heiligen Geist absprechen, um in Zukunft zu dem Thema Kindermangel als Vorbild aufzutreten. Ein junger, vitaler Papst mit einer genauso vitalen Frau Päpstin an seiner Seite, ein harmonisches Paar das von ihrem Thron aus zufrieden lächelnd einer Kinderschar beim Herumtollen zuschaut - welch ergreifendes Bild! Dem Klerus würde es eine Ehre sein, dem Beispiel des Papstes nachzueifern. Die Defizite im Nachwuchsbereich könnten so bereinigt und das Überleben des Berufsstandes abgesichert werden. 
 
2.      Bei dem bekannten Hilfswerk Caritas haben 6,2 Millionen EURO, die mit viel Mühe von selbstlosen Spendern zusammengetragen wurden und eigentlich vorgesehen waren, viele hungrige Mägen zu füllen, sich in einem kurzen Zeitraum einfach so verflüchtigt. Eine Nachricht, die wir mit Unverständnis aufgenommen haben. Laut den neuesten Erkenntnissen wurden die Scheine in 8000 Richtungen verweht. Nicht der Putzkolonne, die beim Reinigen Durchzug verursacht hatte oder einem unachtsamen Hausmeister ist der Verlust zuzuschreiben, ebenso wenig wie dem unteren oder mittleren Beamtenkreis. 
Um einen Diebstahl in dieser Dimension zu begehen, mussten intelligente Köpfe mit hohem Verbrecherpotential und niedriger Hemmschwelle, zusammen mit dem nötigen Fachwissen ausgestattet, Hand in Hand mit den Banken arbeiten. Das Ganze scheint geprägt zu sein von einer gewissen Naivität, was die Befolgung der Sicherheitsregeln angeht. Ich finde es skandalös, wie sich Regierung und Bistum an ihrer Verantwortung vorbeigedrückt und das Personal bis jetzt im Stich gelassen haben. Es bleibt zu hoffen, dass die Gewerkschaften sich Gehör verschaffen und die Justiz an der Seite der direkt Betroffenen stehen wird. Als allererstes sollte dem Personal eine Garantie gegeben werden; die Belegschaft hat mehr Zuwendung verdient als das gestohlene Geld. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Verbrechen nicht nach dem gleichen Motto angegangen wird, wie es vor Jahren bei der „Bommeleeëraffäir“ der Fall war: „Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt.“ Nur eine schnelle Aufklärung kann dem Bürger auf die Dauer das nötige Vertrauen in die verschiedenen Hilfswerke zurückgeben. Weder Staat, Großherzog, noch Bistum oder Papst ist es bisher eingefallen, denjenigen aus der Patsche zu helfen, die sich mit den Problemen hungernder Menschen befassen und jetzt vor einer ungewissen Zukunft stehen. 
 
3.      Im Mittelpunkt des Tagesgeschehens stand letzte Woche ein erwachsener, kleiner Großherzog, dem das Diplom zur erfolgreich bestandenen Gesellenprüfung zu seinem zukünftigen Beruf überreicht wurde. Bei welchen meiner Sorgen ich auf ihn zurückgreifen kann, ist nicht klar definiert. Er wird eine Zeitlang als sogenannter Statthalter seinem Vater zur Hand gehen und ihm einen Teil der schweren Bürde von den Schultern nehmen. Die Höhe der dazu gehörenden “dotations“ könnten Neidvögeln ihr gelbes Gefieder sträuben lassen. Seit 1856 brauchen wir einen solchen Statthalter, um alle anfallenden Aufgaben zu bewältigen, die von unserer Monarchie gefordert werden. Ich erlaube mir die Fragen: weshalb, wieso, warum jetzt, zu diesem Moment? Weil der Vater sich mit seiner Hilfe auf den Vorruhestand einstellen und der Bevölkerung die nötige Zeit angeboten wird, sich an den neuen Monarchen zu gewöhnen. Ein Titel, auf den wir stolz sein sollten, da er nur noch bei uns besteht. Für mich unverständlich, denn Verantwortung tragen wir alle an unserem Arbeitsplatz. Wohin würde es führen, wenn deswegen jedem gegen Ende seiner Berufszeit, ein „Statthalter“ zur Seite gestellt würde? In der Wirtschaft ein Ding der Unmöglichkeit. Wieso brauche ich diese Gewöhnungszeit? Ich werde wie bei allen früheren Staatsoberhäuptern ihn nie zu Gesicht bekommen, wir werden Fremde bleiben und würde er mir nicht passen, wie könnte ich seine Ernennung verhindern?

Junior scheint ein vielseitiger Opportunist zu sein, hat er doch bereits angekündigt, im Falle einer Auflösung der Monarchie genügend anderen Interessen nachgehen zu können. Anderseits hat er durch seine Aussage, er würde auf Kosten seiner Familie ein eigenes Wohnhaus im Hofe des Schlosses errichten, damit seine Kinder in einer angenehmeren Umgebung aufwachsen dürften, soviel Sympathien erhalten, dass er sich in der Hitparade der Prominenz für den ersten Platz empfiehlt. Dass er sein trautes Heim nicht direkt auf Kosten des Volkes errichten lässt, für den Bürger ein normaler Vorgang, sollte jedoch in diesem Falle belobigend erwähnt werden.   
 
4.      Alle diese Ereignisse waren denjenigen Politikern willkommen, die sich lieber in Schale werfen, um sich dem Volke zu zeigen, als die harte Bank in der Abgeordnetenkammer zu drücken. 
Das angekündigte zukünftige Handy-Verbot in den Klassenzimmern hat in der Öffentlichkeit sofort als Echo die Frage aufgeworfen: „Wann wird das Handy in der Abgeordnetenkammer verboten?“ Wenn der Kameramann bei einer Übertragung einen Schwenker über den ganzen Sitzungsraum macht, glaubt man sich in eine Schulklasse versetzt. Gestandene Frauen und Männer in der typischen, leicht vornüber gebeugten Haltung, die allen SmartPhone-Junkies gemeinsam ist, von den Ausführungen am Rednerpult sichtlich genervt, versuchen sie sich in eine bessere Welt zu beamen. Ob ein solches Verbot sinnvoll ist oder nur von kleinkarierten Bürgern gefordert wird, um die ehrenwerten Damen und Herren Deputierten am Rednerpult durch Aussetzer in Verlegenheit zu bringen, sei dahingestellt. Früher war der Sitzungssaal vom knisternden Geräusch der Tageszeitungen durchzogen, mit denen sich die Deputierten kurz vor ihrer Ansprache auf den letzten Stand brachten oder auch nur gegen ihre Langeweile ankämpften. 
Herzliche Grüße

Ben Schultheis