Nora Werer: Impressionen meines Voluntariats in Nicaragua

Besuch bei dem Kaffeeproduzenten Antonio und seiner Frau Norma.
Acht Monate bei der Kaffee-Kooperative Soppexcca in Jinotega - eine außergewöhnliche Erfahrung persönlich sowie professionell.
Als ich im Februar in Nicaragua ankam war es gerade Mitte der Trockenzeit und alles war trocken und die Landschaft war in bräunlichen Nuancen gezeichnet. Die Kaffeeernte befand sich in den letzten Zügen – in der Trockenverabreitungsanlage in Matagalpa arbeiteten die Frauen auf Hochtouren. Der Kaffee wird sortiert, per Hand – Bohne für Bohne – in Säcke verpackt und fertig gelagert für den Export nach Europa und in die USA.

Das Büroteam von Soppexcca
Das Kooperationsprojekt von Fairtrade Lëtzebuerg und der UCA Soppexcca
Die ersten Tage in Jinotega waren sehr ereignisreich gewesen. Man fühlte sich gleich herzlich empfangen bei der Kooperative. Im März ging es dann direkt los mit der Arbeit. Zusammen mit meinen nicaraguanischen Kollegen begann ich mit der Entwicklung des solidarischen Tourismusprojektes in der Region Jinotega. Nach dem Identifizieren des touristischen Potentials begann der wichtigste Teil des Projektes, der darin bestand, die richtige Auswahl der Produzenten zu treffen, welche im Tourismus arbeiten sollten. Das Projekt zielt unter anderem darauf ab, den Produzenten neben der Kakao- und Kaffeewirtschaft eine alternative Einnahmequelle zu verschaffen. Das erfordert höchste Sensibilität, da es vor ein paar Jahren schon einmal einen solchen Ansatz gab, bei dem einiges schief ging und Produzenten am Ende auf der Strecke blieben. Das Ziel des ganzen Projektes ist es, eine Verbindung zwischen Produzent und Tourist – also Besuchtem und Besucher, welche aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen, herzustellen. Respekt steht bei dieser Art von Tourismus im Vordergrund. Die Bewahrung des kulturellen und natürlichen Reichtums und die Förderung der lokalen Wirtschaft sind weitere Auswirkungen des solidarischen Tourismus. Des Weiteren stand die Renovierung der Herberge an, welche unter anderem von der luxemburgischen ONG „Les Amitiés Luxembourg – Amérique Latine“ mitfinanziert wurde.
Aufgrund der Kaffeekrise in Lateinamerika, welche auch Soppexcca stark getroffen hatte, waren die finanziellen Mittel knapp, und der Umbau ging nur sehr langsam voran. Nach vollem Einsatz der ganzen Kooperative war die Herberge dennoch für die Ankunft der luxemburgischen Reisegruppe im August fertig geworden.
Der Alltag der Kaffeeproduzen und Produzentinnen in Jinotega
Durch mein Volontariat bei Fairtrade und bei Soppexcca in Nicaragua hatte ich die Möglichkeit, die vielen verschiedenen Facetten der Arbeit einer Kaffee-Kooperative kennenzulernen: die Verarbeitung von Kaffee – von der Bohne bis zur Tasse; den Prozess der Verarbeitung des Kakaos zu Schokolade. Das waren nur ein paar Dinge, die ich in meiner Zeit in Nicaragua lernen konnte. Die Arbeit mit den Jugendlichen und Frauen hat mich beeindruckt und hat mir noch einmal deutlich vor Augen geführt, mit welchen Schicksalen die Menschen in Nicaragua teilweise zu kämpfen haben und wie hart die Arbeit auf den Kaffeefeldern ist. Am beeindruckendsten waren für mich die Erfahrungen, die ich bei den Produzenten machte. In Nicaragua leben meistens mehrere Generationen unter einem Dach.
Viele Familien widmen sich seit Generationen dem Kaffee- oder Kakaoanbau. Die Menschen sind es gewohnt hart zu arbeiten. Morgens geht es schon sehr früh los, sobald die Sonne aufgeht gegen 5, halb 6 ist die ganze Familie auf den Beinen. Nach dem Frühstück, Gallo Pinto, das typische Nica-Frühstück (Reis mit Bohnen) Eier, Tortilla und natürlich Kaffee beginnt die Arbeit. Kaffee wird in Nicaragua von November bis Februar geerntet. In der Regenzeit (Mai bis Oktober) müssen die Produzenten ihre Felder neu bewirtschaften und die Plantagen pflegen, damit die Ernte im Spätjahr ertragreich wird. Die Tiere müssen gefüttert werden, es muss gekocht, geputzt und die Kinder versorgen werden. Da es in Nicaragua relativ früh dunkel wird, beginnt das Leben schon im Morgengrauen. Da die Kaffeeplantagen sich in Jinotega in den Höhenlagen befinden, sind die Hänge, an denen der Kaffee gepflanzt wird, meistens sehr steil, was die Arbeit deutlich erschwert.

In den Plantagen in Jinotega.
Soppexcca und der faire Handel
Durch die Krankheit „La Roya“, ein Pilzbefall, die in ganz Lateinamerika für enorme Verluste der Kaffeeernte gesorgt hat, sind viele Kaffeepflanzen zerstört worden und die meisten Bauern konnten aufgrund von Mangel an finanziellen Mitteln nicht alle erkrankten Kaffeepflanzen erneuern. Das war für die Kaffeebauern im Norden Nicaraguas, wo ca. 65% der nationalen Kaffeeproduktion herkommt, ein herber Rückschlag. Die UCA Soppexcca ist von ihrer Entstehung an eine Fairtrade-zertifizierte Kooperative, wobei 60 % des gesamten Exportvolumens Fairtrade-Kaffee ist. Durch die guten und langjährigen Beziehungen zu Importeuren, welche immer einen konstanten Preis bezahlen, der meistens über dem des Weltmarktes liegt, konnte sich Soppexcca auch in Zeiten der Krise über Wasser halten.
„Gerade in solchen Momenten ist es für uns sehr wichtig, eine Fairtrade-zertifizierte Kooperative zu sein“, erzählt mir Fátima Ismael, die Geschäftsführerin von Soppexcca. Nach dem Erwerb der Trockenverarbeitungsanlage kann Soppexcca nun den ganzen Kaffeeverarbeitungsprozess eigenständig abwickeln. Das hat zum einen den Vorteil, dass sie keine Dienstleistungen anderer Kooperativen mehr in Anspruche nehmen müssen – also ein Kostenpunkt, weniger und zum anderen wird durch die eigens kontrollierte Prozesskette eine höhere Qualität des Kaffees gewährleistet. Der Erwerb der Trockenanlage war durch die Fairtrade-Prämie möglich geworden.

Trockenverarbeitungsanalage in Matagalpa.
Nicaragua – Revolution, Naturschätze, Kultur und Kaffee
Nicaragua - das Land der Seen und Vulkane - ist ein noch unentdecktes Paradies mitten in Lateinamerika. Die Verschiedenartigkeit der Kulturen von der Pazifik- bis zur Karibikküste ist faszinierend. In der Karibik leben vor allem indigene Bevölkerungsgruppen, viele davon afrikanische Einwanderer, die Kreolisch als erste Sprache sprechen. Die Lebensfreude ist beeindruckend. Auf den Corn Islands in der Karibik ist der Tourismus meist die einzige Einnahmequelle für die Einheimischen. Die Landschaft der Corn Islands gleicht einer Postkarte, unberührte Strände, türkisblaues Meer und große Kokospalmen, die schräg ins Meer hineinragen.
Am Pazifik ist der Ozean deutlich rauer und die meisten Strände sind angesagte Surfspots. Von San Juan del Sur bis Jiquilillo tummeln sich Surfer und Urlauber an den Stränden. Die Kultur ist eine ganz andere. Die Kakao- und Kaffeebauern im Norden sprechen meist nur Spanisch - kaum einer ist der englischen Sprache mächtig. Die Natur ist faszinierend, die Berglandschaften im Hochland, die Vulkankette, welche sich an der Pazifikküste entlang zieht, alte Kolonialstädte, beeindruckend Seen und eine traumhafte Karibikküste zeichnen das Bild Nicaraguas - ein noch sehr junges Land.
Die Revolution ist erst dreißig Jahre her und die Menschen, vor allem in den nördlichen Regionen, können sich noch gut an alles erinnern. Die Berge waren jahrelang Kriegsgebiet, Menschen wurden gewaltsam enteignet, niemand fühlte sich hier sicher. „Es war eine sehr schwere, traurige Zeit“, erzählt mir Antonio Talavera, Mitglied des Vorstandes von Soppexcca und Kaffeeproduzent, der selbst in dieser Zeit auf der Seite der Contras kämpfen musste. Die Leute erinnern sich mit gemischten Gefühlen an die Revolution, eine Zeit, in der Diktator Somoza gestürzt wurde und es nach 40 Jahren Unterdrückung endlich freie Wahlen gab. Das war die Stunde des Frente Sandinista de Liberación Nacional und der Gebrüder Ortega, welche schon damals das Ruder übernahmen und bis heute das Land regieren – heute mit einem deutlich kapitalistischeren Ansatz als noch kurz nach der Revolution, als man noch überzeigt war, ein sozialistisches Modell wie das von Fidel Castro funktioniere auch in Nicaragua.

Im Geburtshaus des Guerillaführers Augusto César Sandino.
Resumee ziehen nach acht Monaten Nicaragua
Rückblickend war die Zeit in Nicaragua eine Bereicherung. Dank meines Volontariats habe ich sehr viele neue Erfahrungen gewonnen und konnte mich beruflich weiterentwickeln. Auch die Zusammenarbeit mit Lux-Development und deren Tourismusprojekt „La Ruta del Café“, welches seit sieben Jahren im Norden Nicaraguas fortentwickelt wird und die gemeinsame Teilnahme an verschiedenen Tourismus-Messen war immer sehr erfolgreich. Die Kooperative Soppexcca passt sehr gut in das Konzept der „Ruta del Café“, aufgrund ihrer Lage inmitten der Kaffeeberge, der neu renovierten Herberge und der Entwicklung des solidarischen Tourismusprogrammes.
Die Zeit bei der Kooperative Soppexcca in Jinotega war eine sehr tolle und ereignisreiche Zeit, in der ich sehr viel Neues lernen durfte. Die Zusammenarbeit mit den Produzenten, die sozialen Projekte sowie die Arbeit mit den Jugendlichen und Frauen vor Ort haben mir gezeigt, dass es sich lohnt, für etwas zu arbeiten, woraus die Menschen immer wieder neue Hoffnung schöpfen können. Mich hat die Willensstärke der Menschen dort sehr beeindruckt.
Obwohl sie sehr hart arbeiten und meistens nur sehr wenig zum Leben haben, sind sie dennoch glücklich und kämpfen jeden Tag aufs Neue, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Ich bin sehr glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte, durch die Unterstützung des SNJ nach meinem Masterstudium ein Volontariat bei Fairtrade Lëtzebuerg zu machen.

In den Kaffeeplantagen