Seit Beginn der Coronakrise gehört der Reinigungssektor zu den « entscheidendsten Aktivitäten zur Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Interessen der Bevölkerung und des Landes ». Die Krise zeigt die Ungerechtigkeiten und den Widerspruch unseres Wirtschafts- und Sozialsystems : die unverzichtbarsten Arbeiter*innen sind auch die unsichtbarsten und die am wenigsten anerkannten.

In Luxemburg arbeiten etwa 11.000 Lohnabhängige in Reinigungsfirmen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Frauen (83%), oft mit Migrationshintergrund oder Grenzgängerinnen. 75% sind entweder Portugiesinnen oder Französinnen*. 6 000 Arbeiterinnen sind in Privathaushalten angestellt. Diese Frauen sorgen für Sauberkeit und Hygiene im öffentlichen und privaten Raum ; sie verrichten eine körperlich und psychisch anstrengende Arbeit. Während der aktuellen sanitären Krise stehen sie an vorderster Front in den Spitälern, den Alters- und Pflegeheimen…. und müssen auch in den Privathaushalten arbeiten.

Sie gehören zu den prekärsten Arbeiter*innen : unterbezahlt, mit Kurzzeitverträgen, ungewollter Teilzeitarbeit, untragbaren Zeitkadenzen, einer hohen Stressbelastung und dem Risiko von Verletzungen ausgesetzt. In dem Dokumentarfilm Les Invisibles scheut die OGBL-Sekretärin des Reinigungssektors Estelle Winter nicht davor zurück von « moderner Sklaverei » zu sprechen. Die Auslagerung dieser Arbeit an Reinigungsfirmen – ihre Anzahl hat sich in 10 Jahren verdoppelt – garantiert nicht a priori bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen.

Bei diesen Beschäftigungen gibt es eine ausgedehnte Grauzone von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit, ohne Arbeitsvertrag und schwarz bezahlt. Frauen ohne Aufenthaltsgenehmigung, Migrantinnen, Frauen in prekären Situationen in Folge einer Trennung oder Scheidung und Alleinerziehende befinden sich oft in solchen Situationen.

Die beratende Menschenrechtskommission (CCDH) hat in ihrem zweiten Bericht über Menschenhandel in Luxemburg darauf hingewiesen, dass die Haushaltsarbeit, das Hotel- und Gaststättengewerbe und der Bau Risikosektoren für Menschenhandel und Ausbeutung sind. Auch wurden anlässlich der Konferenz Maid in Luxembourg, organisiert von «Time for Equality » reale Fälle von Sklaverei in Haushalten besprochen.

Die Rahmenbedingungen von struktureller Prekarität und Verletzlichkeit, welche die Haushaltsarbeit charakterisieren, drohen sich in Folge der Pandemie und der Ausgangssperre zu verschlimmern. Die Internationale Arbeitsorganisation befürchtet, dass die aktuelle Krise noch einen stärkeren Impakt hat als diejenige von 2008. Die Hausangestellten werden zu den Gruppen der am stärksten Betroffenen gehören und dem Armutsrisiko, dem Verlust der finanziellen Unabhängigkeit und der Marginalisierung ausgesetzt sein.

Es gilt folglich sehr wachsam zu sein und die Rechte der Hausangestellten zu verteidigen und gleichzeitig ihre Arbeit aufzuwerten. Ungefähr 6 000 Beschäftigte arbeiten in Privathaushalten unter der vereinfachten Anmeldeprozedur der CCSS. Allerdings gilt die  Kurzarbeit nur für die Betriebe ; die Privathaushalte sind davon ausgeschlossen und werden lediglich ermutigt die Hausangestellten freizustellen bei fortlaufender Bezahlung. Am 14. April hat der Arbeitsminister Dan Kersch dies noch einmal unterstrichen und betont, dass im Fall einer Entlassung gesetzliche Vorankündigungen berücksichtigt werden müssen ebenso wie das Recht auf Entschädigung. Als konkrete Maßnahme hat die Regierung beschlossen den Freibetrag der Steuervergünstigung für Kosten von Hausangestellten zu erhöhen, für Betriebe und Privathaushalte.

Dieser Ansatz ist nicht ausreichend und unterschätzt die Situation. Seit der Ausgangssperre werden eine Reihe von Frauen nicht von ihrem Arbeitgeber freigestellt ; sie arbeiten weiter ohne Sicherheitsvorkehrung und setzen sich damit einem Infektionsrisiko aus, auch durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Es ist schwierig für sie, sich dem zu entziehen aus Angst vor dem Verlust ihres Einkommens oder vor der Entlassung auf Grund von schwerer Verfehlung und sich danach ohne Einkommen und soziale Absicherung in einer Krisensituation wieder zu finden.

Im Endeffekt wären Maßnahmen wie Kurzarbeit für in Privathaushalten Angestellte für den Staat finanziell relativ begrenzt. Sie würden als Anerkennung gelten für Hausangestellte und den Schutz von Recht und Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleisten, unabhängig vom Statut des Arbeitgebers. Zusätzlich würden sie zu einem positiven Mentalitätswandel beitragen.

In diesem Sinne drängt es sich auf, dass auch Luxemburg das Übereinkommen Nr 189 (2011) der IAO (Internationale Arbeitsorganisation) über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte ratifiziert. Ebenso müsste der Kollektivvertrag für Reinigungskräfte auch für Hausangestellte von Privathaushalten gelten.

Es geht hier um Gleichstellung und um soziale Gerechtigkeit. Wenn die menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte bei einem selbst beginnt, entsprechend der Devise der IAO -Kampagne, dann ist die Zeit der Ausgangssperre der ideale Zeitpunkt um den Wert dieser Arbeit für die Gesellschaft anzuerkennen. Who cares ? we care !

Rosa Brignone, Präsidentin von Time For Equality , Mitglied der Plattform JIF Luxemburg

  • Quelle : Studie des LISER über den Reinigungssektor in Luxemburg