Der Fall Gerson Rodrigues hat zu Recht große Wellen geschlagen. Gleichzeitig irritiert die Einseitigkeit mancher Reaktionen. Ja, Profifußballer haben eine Vorbildfunktion – und wenn ein Spieler, der wegen Gewalt gegen Frauen verurteilt wurde, ohne jede Konsequenz weiterspielen darf, sendet das ein höchst problematisches Signal. Gewalt darf niemals verharmlost oder relativiert werden.

Zugleich ist es ein fundamentales Prinzip unseres Rechtsstaats, dass auch ein verurteilter Täter Anspruch auf Resozialisierung hat. Wer seine Strafe verbüßt, Verantwortung übernimmt und glaubhaft Reue zeigt, sollte eine zweite Chance erhalten.

Die FLF hätte hier die Möglichkeit, gemeinsam mit Gerson Rodrigues ein starkes Zeichen zu setzen – ein Zeichen gegen Gewalt und für gesellschaftliche Verantwortung. Ein schlichtes „Weiter so“ wäre das falsche Signal. Ein kontrolliertes, klar reglementiertes Comeback hingegen – unter festen Auflagen – könnte zeigen, dass auch der Spitzensport ethische Standards ernst nimmt.

Rodrigues sollte grundsätzlich die Chance bekommen, weiterhin unser Land zu vertreten. Aber nur, wenn er öffentlich sein Fehlverhalten eingesteht und sich verbindlich einem Anti-Gewalt-Programm unterzieht. In diesem Rahmen könnte seine Rückkehr sogar ein positives Signal sein: Dass Gewalt keinen Platz hat – aber Veränderung möglich ist. Und dass moralische Integrität im Sport nicht nur gefordert, sondern aktiv gefördert wird.

Das wäre ein starkes Zeichen an die Gesellschaft: Prominente stehen nicht über dem Gesetz. Auch Vorbilder müssen sich ihren Taten stellen – glaubwürdig und konsequent. Gleichzeitig würde deutlich, dass wir an Veränderung glauben – wenn sie ehrlich gemeint ist. Wer Verantwortung übernimmt, darf zurückkehren, weil wir eine Balance zwischen Gerechtigkeit und Menschlichkeit brauchen.

Nicht zuletzt wäre eine bewusste Auseinandersetzung mit der Schuld kraftvoller als Schweigen oder Verdrängen. Denn Fußball ist mehr als ein Spiel – er spiegelt gesellschaftliche Werte. Und seine Akteure können weit über das Spielfeld hinaus zur Wertebildung beitragen.

Dabei sollten wir aber auch wachsam gegenüber gesellschaftlicher Doppelmoral bleiben: Wer laut Strafen fordert, sollte ebenso laut Verantwortung fordern, wenn ein Täter sich ändern will. Es wäre widersprüchlich, einerseits Resozialisierung als Prinzip zu befürworten – und andererseits genau dann wegzusehen, wenn sie wirklich gefordert ist. Gerechtigkeit verlangt Konsequenz, aber auch Haltung – auf allen Seiten.

ANDRE Sacha (Colmar-Berg)