Die Geister, die ich rief

Die aktuelle Diskussion um die Verfassung im Zusammenhang mit der Abtreibung erinnert stark an das Jahr 2009: ein historischer Moment für Luxemburg. Damals verweigerte der Großherzog die Unterschrift unter das Euthanasie-Gesetz, da er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte. Das Parlament änderte daraufhin die Verfassung, um eine solche Situation künftig zu verhindern.
Nun scheint sich Geschichte allerdings in einer gewissen Weise zu wiederholen. Auch beim Thema Abtreibung zeigt sich, wie tief gespalten unsere Gesellschaft in Fragen ist, die eng mit persönlicher Überzeugung und Werten zusammenhängen. Der Sinn einer Verfassung ist es, ein gemeinsames Fundament zu schaffen – ein „Wir-Gefühl “.
Die Position zur Abtreibung ist eng verknüpft mit der Frage, was denn menschliches Leben ist und zu welchem Moment man es als solches auch definieren kann. Doch gerade bei dieser Frage gibt es kein solches Fundament. Wann beginnt das Leben? Für die einen mit der Befruchtung, für andere mit der Einnistung in der Gebärmutter, für wiederum andere mit dem Herzschlag oder dem Einsetzen der Hirnaktivität oder für weitere erst mit der Geburt. Jede dieser Positionen hat ihre Berechtigung, aber sie führen nicht zu einer gemeinsamen Sichtweise.
Dass Frauen das Recht haben, über ihren Körper zu bestimmen, ist unbestritten. Nur stellt sich die Frage: Muss das Recht auf Abtreibung zwingend in der Verfassung verankert sein, oder reicht es, wenn es – wie bisher – durch ein Gesetz geregelt wird? Und berührt alleinstehend dieser Punkt das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper tatsächlich in seiner ganzen Tragweite?
Was wäre nun der Mehrwert einer Verfassungsänderung? Es droht, neue Gräben aufzureißen und die Gesellschaft weiter zu spalten. Statt Einheit zu fördern, würde die Politik damit einen Kulturkampf befeuern. Schon jetzt ist zu beobachten, wie verschiedene Gruppen ihre Positionen vehement vertreten und sich das Klima erhitzt.
Ziel der Politik sollte es sein, das Volk zu einen, nicht es auseinander zu treiben. Wenn es keinen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt, sollte ein so sensibles Thema nicht in die Verfassung aufgenommen werden. Eine Volksbefragung wäre zwar möglich, würde aber wohl ebenfalls mehr Konflikte hervorrufen als diese zu lösen.
Darum plädiere ich dafür, das Recht auf Abtreibung zwar gesetzlich zu garantieren, aber nicht in der Verfassung zu verankern. Die bestehenden Gesetze sichern dieses Recht bereits ab. Eine Verfassung soll Stabilität und Zusammenhalt schaffen – nicht neue Streitlinien.