Lieserbréif vum Frank BertemesErfrischend anders ?

RTL Lëtzebuerg
„Ich liebe die Andersartigkeit der Menschen, die ihr Anderssein authentisch leben..."

”... Sich äußerlich zeigen durch Kleidung, Haartracht oder andere sichtbare Zeichen. Oder durch ihr Handeln, das sie an den Tag leben, ohne die geringsten Anzeichen der Frage: “Was mögen die anderen denken?” Ich liebe diese Echtheit, auch wenn sie manchmal nicht in mein Bild der Welt passt.“

© Irina Rauthmann (*1958), deutsche Aphoristikerin und Lyrikerin

Besser geht nicht immer, schlechter dafür schon. Diese Aussage dürfte wohl nicht unbekannt, weil oft zutreffend sein. Andersartigkeit, wie im einleitenden Zitat angedeutet, war auch einmal…Dementsprechend wäre eine heilsame Erfrischung als politisches Update angesagt, will man den absoluten Krebsgang vermeiden. Dies angesichts einer sich verschlechternden (politischen) Entwicklung, die sich heuer ob der für die grüne Partei – um die es sehr präzise in diesen Zeilen gehen soll – fast schon dramatischen Ereignisse der letzten Wochen durchaus anzukündigen droht. Die Grünen sind eindeutig in einer Krise!

Dazu die interessante Weisheit eines unbekannten Physiologus (Naturforschers) – für die Grünen also passend – aus dem 12ten Jahrhundert:

„Wenn der Adler alt wird, so werden ihm seine Federn schwer und die Augen dunkel. Dann sucht er einen ganz erfrischenden Quell auf und fliegt vom Quell hinauf zur Sonne. Da verbrennt er seine Federn, und er stürzt hinunter zu der Quelle, die er sich ausgesucht hat. Das tut er dreimal, und dadurch wird er wieder jung und sieht wieder.“

Im Klartext: Genauso soll der Mensch es tun. Damit ein Adler auch mit vierzig Jahren noch jung sein kann, muss er einen ständigen Erneuerungsprozess an sich zulassen. Wir können davon lernen und Parallelen für unser Leben ableiten. Das gleiche gilt auch für eine einstige Umweltbewegung, die später zu einer Partei wurde, die heutzutage und aufgrund der teilweise spektakulären Wahlresultate immer mehr zum politischen Establishment gehört…. Um genau was noch zu bewegen, fragt man sich heute? Was können die Grünen eigentlich noch bieten, was die anderen nicht auch längst tun? Oder zumindest vollmundig in ihren immer „grüneren“ Wahlprogrammen ankündigen…

Die deutsche Geschichte von Bündnis 90/Die Grünen hat zwei unterschiedliche Wurzeln: In Westdeutschland und West-Berlin entsprang die Grüne Partei der Umweltbewegung sowie den neuen sozialen Bewegungen der 1970er Jahre und wurde am 13. Januar 1980 in Karlsruhe als Partei gegründet. Womit wir dem Alter des eingangs bemühten Adlers schon mal entsprechend nahe sind. In der einstigen DDR schlossen sich 1990 die Gruppierungen der Bürgerrechtsbewegung, die maßgeblich die friedliche Revolution von 1989 getragen hatten, zum Bündnis 90 zusammen. Die Grünen und das Bündnis 90 vereinigten sich 1993 zur gemeinsamen Partei Bündnis 90/Die Grünen. Die luxemburgischen Grünen gingen, wie auch die Mehrzahl ihrer europäischen Schwesterparteien, aus den Anti-AKW- und Friedensbewegungen hervor. Engagierte Menschen, die zuvor gegen den Bau des Kernkraftwerk Remerschen und die Wiederaufrüstungsbestrebungen der NATO und Staaten des Warschauer Pakts heftig protestiert hatten, fanden sich schließlich 1983 zur „Gréng Alternativ Partei“ (GAP) zusammen, der auch der Autor dieser Zeilen aus Überzeugung und engagiert angehörte. Ein Haufen von ehemaligen Trotzkisten, Maoisten, Friedensaktivisten und sonstigen Idealisten stand am 23. Juni 1983, pikanterweise am Nationalfeiertag also, vor dem großherzoglichen Palast. Damals noch engagiert antimonarchistisch, antiklerikal, basisdemokratisch, sozial, natürlich ökologisch, gewaltfrei und noch solidarisch, ganz einfach politisch klar links stehend, hat sich die Partei nach der definitiven Gründung von „déi Gréng“, die aus der Fusion von GAP und GLEI resultierte, politisch immer mehr angepasst. Links stehen, rechts gehen? Egal wie, die Marschrichtung in die politische Mitte, wo sich alle so gerne tummeln, also eigentlich – ideologisch immer unverdächtiger – austauschbar sind, um ja nicht zu viel anzuecken, bestätigt die sehr langweilige aktuelle Führung der „déi Gréng“ jedenfalls selbst – die Grünen als „moderne“ Partei der Mitte! Die einst durchaus und realpolitisch „erfrischend anderen Grünen“, wie es schon mal sehr zutreffend in diversen Leitartikeln hieß, sind heutzutage in unserer politischen Landschaft nicht nur (enttäuschend) angepasst, sondern auch noch bedeutend langweiliger geworden – und das war garantiert nie das Ziel der Gründer*innen dieser Bewegung, ganz im Gegenteil! Die einstige politische „Alternative“ ist nicht mehr erkennbar, vom politischen Radar des politischen „Andersseins“ ob realpolitischer Anpassung jedenfalls längst verschwunden.

Was das noch ob der aktuellen Turbulenzen und der mehr als fragwürdigen Glaubwürdigkeit noch werden soll – diese Frage aufzuwerfen, dürfte wohl mehr als verständlich sein....

Eine Frage, die und der sich „déi Gréng“ jedenfalls klar und deutlich zu stellen hat!

Erfrischend anders liest sich jedenfalls sehr viel anders….

Frank Bertemes

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