
J.: “Los, erzähl mir nochmal von den Haschischbars!”
V.: “Alles klar, was willst du wissen?”
J.: “Der Stoff is’ da legal, ja?”
V.: “Ja, schon legal, ja, aber nicht 100%ig legal, du kannst unmöglich in ‘n Restaurant gehen und dir ‘nen Joint rollen und dann drauflospaffen. Ich meine, die wollen, dass du zu Hause oder nur an bestimmten Plätzen rauchst.”
J.: “Und das sind diese Haschbars?”
V.: “Ja, das funktioniert ungefähr so: Es ist legal den Stoff zu kaufen, es ist legal ihn zu besitzen. Und wenn du der Besitzer so einer Haschbar bist, ist der Verkauf legal. Es ist legal, das Zeug bei sich zu haben aber das ist eigentlich unwichtig, zieh dir das ‘rein, okay? Wenn du von einem Bullen in Amsterdam festgehalten wirst, dann hat er nicht das Recht dich zu durchsuchen. Die Bullen in Amsterdam haben nicht das Recht dazu!”
J.: “Oh Mann, da muss ich hin, das ist doch ganz klar, was mach’ ich noch hier?”
V.: “Ich weiß, Baby, du würdest tierisch drauf stehen! Aber weißt du, was das abgefahrenste an Europa ist?”
J.: “Was?” (…. usw.)Für einmal völlig andere Töne statt eines einführenden Zitates. Und dieser Text ist sehr bewusst gewählt. Als abschreckendes Beispiel nämlich und bestimmt nicht im Kontext der durchaus todernsten Drogenliberalisierungsdebatte zu lesen… Geht es doch im Rahmen dieser Zeilen um Trash. Um Schrott, Schund und Triviales. Dem „bad taste“, sprich dem schlechten Geschmack, gar der Geschmacklosigkeit innerhalb des Literaturbetriebs. Genauer um die Schund- und Schmutzliteratur, um ästhetisch minderwertige und moralisch anstößige Geschichten in Heft- oder Buchform. Ein Thema, das im Kontext der Literatur für einmal zur Diskussion gestellt werden soll.
So manche Leser greifen hin und wieder ins Schundregal. Vielleicht sogar mit der Absicht, sich am Schrecklichen zu erfreuen oder sich ganz einfach mal aus dem ernsten, dem seriösen Literaturbetrieb auszuklinken – durchaus verständlich. Oder weil sie gehört haben, dass dieses oder jenes Buch der totale Aufreger sein soll und man es unbedingt gelesen haben muss. (Und auch heute wird glücklicherweise immer noch viel gelesen, trotz aller digitalen Technologie, die unseren Alltag immer mehr beeinflusst, nebenbei bemerkt.) Doch genau damit spielen sie dem Trash-Marketing in die Hände, dem Markt der Schundromane. Schundliteratur ist ein ökonomisches Kalkül und zielt immer auf den Massengeschmack ab. Jedoch gibt es auch durchaus intellektuelle Stimmen aus dem Fachbereich „Literatur“ die sagen, dass wer Trash eben nicht zu schätzen wüsste, der anspruchsvollen Literatur nicht wert sei. Die Bemerkung kann in dem Sinne durchaus berechtigt sein, wenn man bedenkt, was alles schon so in diese Kategorie „Trash“ eingestuft wurde, wie beispielsweise Werke von D.H. Lawrence’s („Lady Chatterley’s Liebhaber“), Vladimir Nabokov’s „Lolita“ oder auch HenryMiller’s „Wendekreis des Krebses“. Alles Werke, die für gewissen Kreise damals eine Zumutung waren, gar als Skandal galten und demzufolge auf dem Schund-Index landeten – heute zählen sie pikanterweise zur Weltliteratur. Selbst Mark Twain wurde von Kritikern tatsächlich Primitivität vorgeworfen und von dessen Meisterwerk „Huckleberry Finn“ stammt immerhin, glaubt man seinem Kollegen Hemingway (und man kann!), die gesamte moderne amerikanische Literatur ab.
Und trotz der Tatsache, dass es Schriftsteller gibt, die mit so ziemlich allem aufwarten können, was eben einen Schriftsteller von Rang und Namen kennzeichnet, sprich ein umfangreiches, in zig Sprachen übersetztes und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnetes Werk, so kommt es vor, dass trotzdem einige von ihnen durchaus schon mal ausreißen und ihre normalen Pfade verlassen. Dennoch schätzen Kritiker diesen Hang zum Schrägen, Wahnhaften und Abgründigen auch wenn eben schon so manche Autorin oder Autor in eben diesen „Trash“-Abgrund gezogen worden ist. Weil Schriftsteller (wie einer von ihnen anonym in einem Interview zugab) „stets am Rande des Abgrunds leben und schreibend ihre Obsessionen, ihre Einsamkeit, ihren Wahnsinn, gar ihr Verschwinden verarbeiten.“ Und da eröffnet „Trash“ für einige Autoren, die sonst „bessere“ Texte zu schreiben pflegen, einen Weg, sich mal augenzwinkernd in weniger „goutierten“ Genres und Formen in teils ironischer Art und Weise zu verirren.
Die Zeiten des literarischen Abfalls der Heft- und Groschenromane scheint vorbei zu sein – oder doch nicht? Es gibt egal wie immer noch einen Markt für Trivialliteratur, die so mancher „heimliche Genießer“ sich im Bahnhofskiosk gönnt. Ohne sich darum zu scheren, dass dieser persönliche Genuss, sich der Trivialliteratur hinzugeben, für andere, die Literatur in hochstehende Kunst einerseits und minderwertigen Schrott andererseits zu unterteilen belieben, ein ernstes Problem darstellt. Das gleiche gilt übrigens für die Qualität von Artikeln oder auch Leserbriefen, die die einen qualitativ eben so einschätzen, andere allerdings wiederum anders – wie übrigens auch die entsprechenden Kommentare, die man, wie eben auch an dieser Stelle, so oder eben so lesen kann…Alles ist eben Ansichtssache, im Sinne von „ Denn an sich ist nichts gut noch böse; das Denken macht es erst dazu“, so ein Zitat aus Shakespeare’s Hamlet.
Ein weltbekannter Schriftsteller, der die Welt zwischen Schund und Literatur jedenfalls bestens kannte und bestimmt kein Problem mit „Trash“ hatte, war Georges Simenon. In einem Themenheft über diesen anerkannten Könner der schreibenden Zunft hieß es im ersten Satz jedenfalls sehr deutlich: „Es lebe der Schund!“ Das war jedoch eher ironisch gemeint, standen doch die Romane des Autors (mit oder ohne „seinen“ Kommissar Maigret) tatsächlich unter Schundversdacht. Heute ist Simenons Rang als moderner Klassiker unstrittig. Sein knapper, lakonischer Stil, seine atmosphärisch dichten Beschreibungen sind zu seinem persönlichen Markenzeichen geworden. Seine Krimiwerke galten einmal als „verpöntes Genre“, das erst spät, im deutschsprachigen Raum erst ab den 1970er Jahren, literarische Weihen erhielt, sprich „salonfähig“ wurde – heute wohl eher ein unverständlicher Witz der Literaturgeschichte! Wissend, dass seine populären Maigrets lange Zeit die Sicht auf seine „romans durs“, die psychologischen Romane aus seiner bemerkenswerten Feder verdeckten, die als „Non-Maigrets“ bezeichnet werden. Simenon selbst scheute sich nicht, seine wahre Flut von Groschenromanen, die er als Journalist am Anfang seiner Schriftstellerkarriere schrieb, problemlos als „littérature alimentaire“ zu benennen. Er schrieb dieses Genre also fürs Geld und nur aufgrund dieses „Trash“ (Schund, der allerdings gerne gelesen wurde) konnte er schnell fürstlich und extravagant leben. Die Liste seiner Bewunderer, auch von zeitgenössischen Schriftstellern, ist jedenfalls lang…
Ach ja, zum Abschluss: „Und am Abend träumen sie von Santo Domingo – von Santo Domingo und weißen Orchideen…“ Schund? Trash?
Frank Bertemes