
Alle Versager sind Versager, weil
es ihnen an Gemeinschaftsgefühl fehlt.
Alfred Adler Der Spruch darf mit Autorenangabe frei verwendet werden, da die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist
(† 28. Mai 1937)
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Denn: Niemand außer ihnen hat einen Vorteil davon, dass sie ihre Ziele erreichen, und ihr Interesse hört bei ihrer eigenen Person auf. So der Wiener Arzt und Psychotherapeut Alfred Adler, der vom 7. Februar 1870 bis zum 28. Mai 1937 lebte. Er wurde als Begründer der Individualpsychologie bekannt und seine Lehre hatte eine große, eigenständige Wirkung auf die Entwicklung der Psychologie und der Psychotherapie im 20. Jahrhundert. Im Menschenbild des überzeugten Sozialisten Alfred Adler, der sich der Philosophie der Aufklärung verpflichtet sah, hat das Individuum eine Sozialnatur, die von einem Gemeinschaftsgefühl geleitet ist. Und ebendieses Gemeinschaftsgefühl, das in unserer modernen Welt immer mehr verloren geht, ist eine der wesentlichen Voraussetzungen einer funktionierenden Gesellschaft und einer glaubwürdigen politischen Volksvertretung.
„Wir leben in Zeiten, in denen die Schere zwischen Arm und Reich weiter zunimmt. Wenn 42 Milliardäre so viel besitzen wie die halbe Welt, dann sind das Zustände wie in der Belle Epoque. Das fliegt uns irgendwann um die Ohren. Die Annahme, dass Reichtum, der oben geschaffen wird, nach unten heruntertropft, ist eine neoliberale Doktrin, die versagt hat! Entweder kriegen wir die Kurve und bewegen uns in Richtung mehr Allgemeinwohl oder aber die Digitalisierung mit einem noch stärkeren Kapitalismus macht alles noch schlimmer. Auch die Sozialisten sind in dieser Logik gefangen. Wir befinden uns heute in einer Situation, in der die sozialen Korrekturmaßnahmen nicht mehr reichen. Kern unserer Politik muss sein, wieder in eine Welt zurückzufinden, in der jeder von seinem Lohn gut leben kann.“ So der neue LSAP-Parteipräsident in seinem bemerkenswerten Wort- Interview auf die berechtigte Frage, ob er mit gutem Gewissen behaupten könnte, dass die LSAP (noch) die Partei der sozialen Gerechtigkeit sei. Und dass diese Frage ob der anstehenden, für uns alle wichtigen Europawahlen – insbesondere natürlich für die LSAP, die sich im elektoralen freien Fall befindet – mehr als berechtigt ist, dürfte wohl niemand mehr anzweifeln. Womit wir beim eigentlichen Thema dieses Beitrages wären: der Krise der (europäischen) Volksparteien.
Nicht wesentlich besser geht es nämlich der anderen Volkspartei mit dem hohen C im Parteilogo, die ob der rezenten Wahl ihres neuen Präsidenten, einer innerhalb der Partei allerdings mehr als umstrittenen, weil offensichtlich heftig polarisierenden Persönlichkeit, die wieder so etwas wie den „starken Mann“ an der Parteispitze repräsentieren will, heuer evidente Probleme hat – und das in diverser Hinsicht. Die Christlich-Sozialen befinden sich in einer Krise, wie man sie eigentlich noch nie in dieser Partei, die ihre Parteiinterna eigentlich immer im stillen Kämmerlein zu regeln pflegte, erlebt hat. Wie das ausgehen wird, weiß niemand und wie der neue, starke Mann an der Parteispitze – der von gewissen „Parteifreunden“ wohl nicht unberechtigt im Verdacht steht, sich schon frühzeitig als Spitzenkandidat in Position zu bringen – seine Partei (die ihn offensichtlich nicht sehr mag) wieder auf Erfolgskurs zu bringen gedenkt, scheint ebenso mehr als fragwürdig. Wie lange das nämlich noch gut geht, darf man sich als Beobachter des politischen Geschehens schon so fragen…
Egal wie, das Versagen der Volksparteien in diversen Politikbereichen hat den politischen Geduldsfaden des tumben Wahlvolkes, das die kapitalfreundlichen politischen Machenschaften mit den Konsequenzen, die wir alle kennen, zu lange ertragen musste, definitiv zum Reißen gebracht. Resultat: Volksparteien ohne Volk! Dies ob des Versagens ihrer Politik gegen das Gemeinwohl. Nur: der Absturz der Volksparteien ist ein gefährliches Risiko. Auch wenn der „Niedergang“ der visierten Parteien heuer mit Spott und bemerkenswerter Häme begleitet wird, das Wahlvolk sich (nicht nur europäisch gesehen) immer mehr von ihnen abwendet und sich anderen politischen Gruppierungen, Punkt- oder Modeparteien respektive einem zunehmenden Sammelsurium diverser Klientelparteien zuwendet, so darf man doch fragen, was die denn so großes zu bieten haben. Eines jedenfalls kaum: eine bessere, stabilere Politik. Es ist nämlich nicht zwingend logisch, dass die Anhäufung von Einzelinteressen, die ihren Ausdruck in ebendiesen Parteien findet (auch wenn diese scheinbar besser in die moderne Zeit der Digitalisierung und der Individualisierung des egozentrischen Homo Digitalis zu passen scheinen als vermeintlich „langweilig“ gewordene Volksparteien) die Verbesserung der Verhältnisse der breiten Masse ermöglichen wird oder diese „Parteien“ gar das gefährliche Auseinandertreiben Europas – eine EU, die unbedingt zusammengehalten werden muss – zu verhindern fähig sind. Mitnichten! Man beachte doch bitte die wahrlich historischen Leistungen ebendieser so heftig abgestraften Volksparteien, auch wenn so einiges im Laufe der Zeit schief gelaufen ist! Wir verdanken ihnen immerhin unsere insgesamt privilegierte Lebensweise, auch wenn so einiges im Argen liegt, das unbedingter (sozial-) politischer Korrektur bedarf. Besonders bedenklich ist die zunehmende Armut, die immer mehr Kinder, Jugendliche und ältere Menschen betrifft, eine wahrlich untragbare Situation angesichts des Reichtums einer Minorität, die darüber hinaus noch immer reicher wird! Man spreche folglich nicht nur vollmundig vom „sozialen Europa“, man tue es endlich! Der Grundgedanke sozialer Gerechtigkeit ist ein Must europäisch glaubwürdiger Politik!
Diese in wahrlich todernsten Zeiten anstehenden Europawahlen, die angesichts des europaweit politischen Rechtsrucks und der in letzter Zeit leider wieder hochaktuellen antisemitischen Tendenzen (man lese zu diesem Thema den beachtlichen rezenten Beitrag von Maître Gaston Vogel) gerade im historischen Kontext von Shoa (hebräisch für Unheil oder große Katastrophe) und Holocaust in der Tat so wichtig sind, wie kaum jemals zuvor, und in denen sämtliche demokratischen Kräfte, besonders natürlich die Volksparteien, speziell gefordert sind, ist die Krise ebendieser Volksparteien eine sehr ernste Gefahr für unsere westlichen Demokratien und kaum ein geeigneter Moment für Häme und Schadenfreude.
In der Tat wünscht man sich den Volksparteien die charismatischen Persönlichkeiten an ihre jeweiligen Parteispitzen, die in diesem Sinne proaktiv zu handeln fähig sind. Man darf tunlichst nicht vergessen, dass von diesen Spannungen innerhalb der Volksparteien nur jene populistischen, rechtslastigen oder anders konfusen und dem europäischen Projekt wenig hilfreichen Parteien oder Gruppierungen profitieren, die weder Europa, noch unsere historisch gewachsenen westlichen Demokratien in diesen ernsten Zeiten brauchen!
Versager kann sich das ach so wichtige, alternativlose europäische Projekt des Gemeinschaftsgefühls (um Alfred Adler abschließend noch einmal zu bemühen) unserer europäischen Völker, an dem natürlich weiter intensiv gearbeitet werden muss, jedenfalls nicht leisten! Europa braucht Zeit, um zusammenzuwachsen, kontraproduktive, gar zerstörerische Elemente müssen dezidiert bekämpft werden. Ein für uns alle so wichtiges Europa, das wir uns nicht von populistischen, rechtslastigen oder sonstigen bedenklichen „Parteien“ vermiesen lassen dürfen!
Man sei sich deshalb bewusst, wie ernst die Lage tatsächlich ist!
Frank Bertemes